Umfangreichste Feldmessungen von salpetriger Säure in der Meeresatmosphäre
Feldmessungen um Cabo Verde im tropischen Atlantik haben bestätigt, dass salpetrige Säure (HONO) in den unteren Schichten der Atmosphäre über den Ozeanen weit verbreitet ist.
Ein internationales Forscherteam unter der Leitung der University of York (Großbritannien) präsentiert nun in Science Advances, dem Open-Access-Journal von SCIENCE, umfangreiche Feldnachweise für die Freisetzung dieser Substanz durch Photolyse von Nitrat-Aerosolen. Salpetrige Säure (HONO) spielt in der Chemie der Troposphäre eine zentrale Rolle als wichtige Quelle des Hydroxylradikals (OH) – sowohl in verschmutzten als auch in sauberen Umgebungen.
Mit einer Kombination aus Flugzeug- und Bodenbeobachtungen konnten die Wissenschaftler das weit verbreitete Vorhandensein von salpetriger Säure (HONO) in der Troposphäre des Atlantiks bestätigen, das durch die so genannte “Renoxifizierung” entsteht, bei der durch Photolyse von Aerosolnitrat Stickoxide (NOx) und HONO in die Meeresatmosphäre zurückgeführt werden.
In der Vergangenheit wurde Aerosolnitrat als permanente Senke für NOx angesehen. Dieser neue Prozess könnte die Fähigkeit der Atmosphäre zur Selbstreinigung im globalen Maßstab erhöhen.
Den Forschenden zufolge könnten die in der Zeitschrift Sciences Advances veröffentlichten Ergebnisse für die Chemie der Atmosphäre von großer Bedeutung sein und die weit verbreitete Unsicherheit über die Bedeutung der Renoxifizierung weitgehend ausräumen.
Mit finanzieller Unterstützung des Natural Environmental Research Council (NERC) führten Forschende der Wolfson Atmospheric Chemistry Laboratories (WACL) – einer Kooperation zwischen der University of York und dem National Centre for Atmospheric Science (NCAS) – im August 2019 und Februar 2020 umfangreiche flugzeug- und bodengestützte Beobachtungen in und um Cabo Verde im Atlantik durch. Für die ARNA- Feldkampagnen („Atmospheric Reactive Nitrogen over the remote Atlantic“) wurde das britische Atmosphärenforschungsflugzeug FAAM BAe-146-301 eingesetzt. Es wurden zwölf Flüge mit In-situ-Messungen von Stickstoffmonoxid (NO), Stickstoffdioxid (NO2), salpetriger Säure (HONO), Ozon (O3) und der Aerosoloberfläche durchgeführt. Partikuläres Nitrat (pNO-3) wurde aus Aerosolfiltern bestimmt. Die Photolyseraten und OH-Radikalkonzentrationen wurden mit dem globalen dreidimensionalen Atmosphärenchemiemodell GEOS-Chem modelliert. Am Cape Verde Atmospheric Observatory (CVAO) werden Stickoxide (NOx), partikuläres Nitrat (pNO-3), Ozon (O3) und Photolyseraten routinemäßig gemessen. Diese wurden während der ARNA-Kampagnen durch HONO-Messungen ergänzt.
Die Hauptautorin, Professor Lucy Carpenter, sagt: “Wichtig ist, dass die Beobachtungen zeigten, dass die Effizienz der Renoxifizierung mit der relativen Luftfeuchtigkeit zunahm und mit der Nitratkonzentration abnahm. Diese Beobachtung brachte die sehr großen Diskrepanzen bei den Renoxifizierungsraten, die in zahlreichen Labor- und Feldstudien festgestellt wurden, in Einklang. Dies ist eine neue und spannende Erkenntnis, die Auswirkungen darauf hat, wie dieser grundlegende Prozess in Modellen gesteuert und parametrisiert wird.“
Es wird auch darauf hingewiesen, dass Nitrat-Aerosole in der Atmosphäre zunehmend an Bedeutung gewinnen, da die Ammoniak-Emissionen als Vorläufer zunehmen und Ammoniumsulfat-Aerosole abnehmen. “Der Abbau von Salpetersäure zu Stickoxiden in Nitrat-Aerosolen könnte also wichtige, zunehmende und bisher unerforschte Auswirkungen auf die Trends und die Verteilung der atmosphärischen Oxidantien haben”, fügt Dr. Khanneh Wadinga Fomba vom TROPOS hinzu, der seit vielen Jahren Aerosole auf Cabo Verde erforscht.
Der Abbau von Stickoxiden in Nitrat-Aerosolen könnte wichtige, zunehmende und bisher unerforschte Auswirkungen auf die Entwicklung und Verteilung atmosphärischer Oxidantien wie troposphärisches Ozon, ein wichtiges Treibhausgas, haben.
Publikation:
Simone T. Andersen, Lucy J. Carpenter, Chris Reed, James D. Lee, Rosie Chance, Tomás Sherwen, Adam R. Vaughan, Jordan Stewart, Pete M. Edwards, William J. Bloss, Roberto Sommariva, Leigh R. Crilley, Graeme J. Nott, Luis Neves, Katie Read, Dwayne E. Heard, Paul W. Seakins, Lisa K. Whalley, Graham A. Boustead, Lauren T. Fleming, Daniel Stone, Khanneh Wadinga Fomba (2023). Extensive field evidence for the release of HONO from the photolysis of nitrate aerosols. Sci. Adv. 9, eadd6266 (2023). https://doi.org/10.1126/sciadv.add6266
Die Studie wurde gefördert vom National Environmental Research Council (NERC, Zuschuss NE/S000518/1), dem National Centre for Atmospheric Research (NCAS), der SPHERES Natural Environment Research Council (NERC) Doctoral Training Partnership (DTP, Zuschuss NE/L002574/1) und dem European Research Council (ERC) im Rahmen des Horizon 2020 Programms der Europäischen Union (Projekt O3-SML; Zuschussvereinbarung Nr. 833290).
Weitere Informationen und Links:
New study shows ‘self-cleaning’ of marine atmosphere (Press release of the University of York, 18 January 2023):
https://www.york.ac.uk/news-and-events/news/2023/research/self-cleaning-of-marin…
Long-term observation of aerosol at CVAO (Cape Verde Atmospheric Observatory)
https://www.tropos.de/en/research/atmospheric-aerosols/long-term-trends-and-proc…
Cape Verde Atmospheric Observatory (CVAO)
https://amof.ac.uk/observatory/cape-verde-atmospheric-observatory-cvao/
ARNA (Atmospheric Reactive Nitrogen over the remote Atlantic)
https://gtr.ukri.org/projects?ref=NE%2FS000518%2F1
Facility for Airborne Atmospheric Measurements (FAAM)
https://www.faam.ac.uk/
Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 97 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen.
Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.500 Personen, darunter 11.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Der Gesamtetat der Institute liegt bei 2 Milliarden Euro. Finanziert werden sie von Bund und Ländern gemeinsam. Die Grundfinanzierung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) getragen. Das Institut wird mitfinanziert aus Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
http://www.leibniz-gemeinschaft.de
https://www.bmbf.de/
https://www.smwk.sachsen.de/
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Khanneh Wadinga Fomba
Department Chemistry of the Atmosphere, Leibniz Institute for Tropospheric Research (TROPOS), Leipzig
Phone: +49 341 2717-7033
https://www.tropos.de/en/institute/about-us/employees/khanneh-wadinga-fomba
und
Professor Lucy Carpenter
UK principal investigator of the Cape Verde Observatory (CVAO)
Department of Chemistry, University of York, Heslington (UK)
Tel.: +44 1904 324588
https://www.york.ac.uk/chemistry/staff/academic/a-c/lcarpenter/
oder
Tilo Arnhold, Public relations, TROPOS
Tel.: +49 341 2717-7189
http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/
Originalpublikation:
siehe Text
Weitere Informationen:
https://www.york.ac.uk/news-and-events/news/2023/research/self-cleaning-of-marin… – Pressemitteilung der University of York
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