Synthetisches Pilzgift – Neue Syntheseroute für Amanitin, ein therapeutisch interessantes Pilzgift

Aus drei Peptid-Fragmenten, die aus fünf, zwei bzw. einer Aminosäure bestehen, haben Forscher α-Amanitin synthetisiert. Dieses gilt als mögliche Wirkstoffkomponente für Krebstherapien. (c) Wiley-VCH

Amanitine hemmen hochselektiv das Enzym RNA-Polymerase II, was zum Zelltod führt. Mit Antikörpern in Tumorzellen eingeschleust, könnten sie Tumore bekämpfen.

Bis vor Kurzem war der Pilz (Amanita phalloides) jedoch die einzige Quelle zur Gewinnung der Amanitine, sodass weitergehende Forschungen nur begrenzt möglich waren.

Vor einiger Zeit war dann eine Totalsynthese von α-Amanitin, dem wirksamsten Amanitin, berichtet worden. Die Forscher um Roderich D. Süssmuth von der Technischen Universität Berlin stellen jetzt eine alternative Totalsyntheseroute vor, die vollständig in flüssiger Phase läuft, Möglichkeiten für die Herstellung verschiedener Struktur-Varianten eröffnet und sich auch in einen größeren Maßstab übertragen lässt.

„Wir wählten dazu eine konvergente Route, das heißt, mehrere Bausteine werden zunächst unabhängig voneinander synthetisiert und am Ende zum Zielmolekül verknüpft“, erläutert Süssmuth. Die Bausteine sind drei Peptid-Fragmente aus fünf, einer bzw. zwei Aminosäuren, daher sprechen die Forscher von einer [5+1+2]-Synthese.

Amatoxine sind ringförmig verknüpfte Peptide aus acht Aminosäuren, die zusätzlich eine interne Querverbindung zwischen den Aminosäuren Tryptophan und Cystein in Form eines sogenannten Tryptathionins aufweisen. Statt die benötigte Thioether-Bindung am Ende der Synthese zu knüpfen, stellten die Forscher einen Baustein aus fünf Aminosäuren her, der das Tryptathionin bereits enthält.

Schlüsselschritte für den Aufbau der beiden anderen Peptid-Fragmente war die Entwicklung einer Route zur Herstellung der Aminosäuren 6-Hydroxytryptophan (Htp) und (3R,4R)-L-4,5-Dihydroxyisoleucin (Dhil) im Multigramm-Maßstab – eine große Herausforderung.

Beide sind nicht-proteinogen, das heißt nicht in der DNA codiert. Sie werden enantiomerenrein benötigt, also einer ganz bestimmten räumlichen Anordnung aller Atome innerhalb des Moleküls. Zur Herstellung von Dhil entwickelten die Forscher eine siebenstufige Synthese – der bisher kürzeste Weg zu diesem Typ Aminosäure.

„Unsere neuen Syntheserouten für Dhil und für Htp halten wir für industriell nutzbar“, so Süssmuth. „Unsere α-Amanitin-Synthese ist die erste, die vollständig in flüssiger Phase abläuft. Sie eröffnet den Zugang zu größeren Mengen α-Amanitin, um dessen Eignung für eine Krebstherapie zu erforschen. Zudem könnte sie Ausgangspunkt für eine zukünftige industrielle Herstellung von Wirkstoffen auf Amanitin-Basis sein.“

Angewandte Chemie: Presseinfo 37/2019

Autor: Roderich Süssmuth, Technische Universität Berlin (Germany), https://www.biochemie.tu-berlin.de/

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.

https://doi.org/10.1002/ange.201914620

http://presse.angewandte.de

Media Contact

Dr. Karin J. Schmitz Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer