Symbiotische Schwefelbakterien verlassen das sinkende Schiff

Lebende Röhrenwürmer an Hydrothermalquellen vier Jahre nach einem Vulkanausbruch. Copyright: Monika Bright
Der Riesenröhrenwurm „Riftia pachyptila“ lebt an warmen Quellen in der Tiefsee: Dicht gedrängt bei einer Anzahl von bis zu 2.000 Tieren pro Quadratmeter und in Symbiose mit Schwefelbakterien. „Erstaunlicherweise geben die Eltern die Symbionten nicht direkt an ihre Nachkommen weiter“, so Monika Bright, Meeresbiologin am Department für Limnologie und Bio-Ozeanographie an der Universität Wien:
„Jede Larve muss ihre Symbionten aus der Umwelt aufnehmen. Einzelne Bakterien infizieren die Haut, ähnlich wie in manchen pathogenen Infektionen, und besiedeln das Innere des Wirtskörpers. Dort vermehren sie sich und erreichen im ausgewachsenen Wurm eine extrem hohe Dichte. Außerdem ernähren sie den darmlosen Wurm, der dadurch Wachstumsraten vergleichbar mit Krebszellen erreicht.“
Im Rahmen des europäischen „Marie Curie – Initial Training Network“ – Programms „Symbiomics“ untersuchte Julia Klose in ihrer Dissertation an der Universität Wien, ob die Symbionten den Wirt auch wieder verlassen können, um die frei lebende bakterielle Population an den warmen Quellen anzureichern.
Dazu wurden während mehrerer Forschungsreisen mit amerikanischen und französischen Kooperationspartnern lebende Würmer aus 2.500 Metern Wassertiefe gesammelt. Das Team inkubierte Wurmgewebe mit lebenden Symbionten für mehrere Tage in speziellen Durchfluss-Hochdruckaquarien. Später in Wien wurden das tote Wirtsgewebe, das Inkubationswasser und die Kolonisationsoberflächen aus den Druckbehältern mit molekularen und mikroskopischen Methoden analysiert.
„In weniger als 24 Stunden verließen viele Symbionten den toten Wirt und besiedelten Oberflächen in den Hochdruckgefäßen – besonders faszinierend war es für uns, dass sich die Bakterien auf den Oberflächen stark vermehrten“, so Klose. Die WissenschafterInnen beobachteten, dass einer abgestorbenen Röhrenwurm-Aggregation nach Versiegen der Quelle zwischen mehreren Millionen und einer Milliarde Bakterien entweichen können.
„Unser Glück war es, dass kurz vor Beginn unserer Forschungen ein unterseeischer Vulkanausbruch am ostpazifischen Rücken, eine Tagesreise von Manzanillo, Mexiko, entfernt, stattgefunden hat. Dadurch konnten wir das Kommen und Gehen der Tiere über fünf Jahre hinweg genauestens verfolgen“, erklärt Monika Bright, die seit 20 Jahren an den faszinierenden Würmern arbeitet. Nur neun Monate nach der totalen Auslöschung der Wurmpopulation durch den Vulkan waren die warmen Quellen wieder besiedelt, wobei die Lebensdauer vieler Würmer trotz erheblicher Größe weniger als zwei Jahre betrug. Dies führte zur vermehrten Freisetzung von Symbionten, die dann die nächste Wurmgeneration wieder infizieren konnten.
Publikation in „Proceedings of the National Academy of Science“:
Klose J, Polz MF, Wagner M, Schimak MP, Gollner S, Bright M (2015): Endosymbionts escape dead hydrothermal vent tubeworms to enrich the free-living population. In Proceedings of the National Academy of Science
doi: 10.1073/pnas.1501160112
Wissenschaftlicher Kontakt
Univ. Prof. Dr. Monika Bright
Department für Limnologie und Bio-Ozeanographie
Universität Wien
1090 Wien, Althanstraße 14
T +43-1-4277-764 30
monika.bright@univie.ac.at
Rückfragehinweis
Stephan Brodicky
Pressebüro der Universität Wien
Forschung und Lehre
1010 Wien, Universitätsring 1
T +43-1-4277-175 41
stephan.brodicky@univie.ac.at
Die Universität Wien ist eine der ältesten und größten Universitäten Europas: An 19 Fakultäten und Zentren arbeiten rund 9.700 MitarbeiterInnen, davon 6.900 WissenschafterInnen. Die Universität Wien ist damit die größte Forschungsinstitution Österreichs sowie die größte Bildungsstätte: An der Universität Wien sind derzeit rund 92.000 nationale und internationale Studierende inskribiert. Mit über 180 Studien verfügt sie über das vielfältigste Studienangebot des Landes. Die Universität Wien ist auch eine bedeutende Einrichtung für Weiterbildung in Österreich. http://univie.ac.at
1365 gegründet, feiert die Alma Mater Rudolphina Vindobonensis im Jahr 2015 ihr 650-jähriges Gründungsjubiläum mit einem vielfältigen Jahresprogramm – unterstützt von zahlreichen Sponsoren und Kooperationspartnern. Die Universität Wien bedankt sich dafür bei ihren KooperationspartnerInnen, insbesondere bei: Österreichische Post AG, Raiffeisen NÖ-Wien, Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Stadt Wien, Industriellenvereinigung, Erste Bank, Vienna Insurance Group, voestalpine, ÖBB Holding AG, Bundesimmobiliengesellschaft, Mondi. Medienpartner sind: ORF, Die Presse, Der Standard.
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge

Supraleitende Nanodrähte detektieren einzelne Protein-Ionen
Nachweiseffizienz dank extremer Empfindlichkeit 1.000-fach höher als bei konventionellen Ionendetektoren. Einem internationalen Forschungsteam rund um Quantenphysiker Markus Arndt von der Universität Wien ist eine bahnbrechende Entwicklung im Bereich der Detektion…

Formationsflug im Orbit
Zwei Satelliten erfolgreich aus Kalifornien gestartet / Technische Universität Berlin setzt mit NanoFF-Projekt neue Maßstäbe in der Kleinsatellitenentwicklung. Am Freitag, den 1. Dezember 2023 sind zwei Kleinstsatelliten der TU Berlin…

HYPERRAUM.TV-Doku: Quantencomputing für Teilchenmodelle
Themenschwerpunkt Quantencomputing (Folge 2): Karl Jansen vom DESY ist Professor für Teilchenphysik. Er versucht in einem großen Projekt die Möglichkeiten des Einsatzes von Quantencomputern für die Teilchenphysik auszuloten. Es könnte…