Studie an transplantierten Herzen gibt Risikogene für Herz-Kreislauf-Erkrankungen preis
Von zahlreichen Genen sind Varianten bekannt, die besonders anfällig für Herz-Kreislauf-Krankheiten machen. Doch diese Informationen sind lückenhaft. Nicht nur die Gene selbst, sondern auch die Art und Weise, wie sie abgelesen werden, beeinflussen das Erkrankungsrisiko.
Mitunter sind Bereiche auf der DNA verändert, die das Abschreiben der Erbinformation auf RNA-Moleküle steuern. Die Menge an RNA, ob und wie dieser temporäre Informationsträger nachträglich modifiziert wird, wirken sich auf die Entstehung von Krankheiten aus.
Um diese Prozesse auf der RNA-Ebene zu untersuchen, fehlt der Forschung aber Untersuchungsmaterial. „Es ist außerordentlich schwierig, menschliches Herzgewebe für genetische Studien zu gewinnen“, sagt Prof. Norbert Hübner, einer der leitenden Wissenschaftler der Studie „Auch deshalb sind längst nicht alle Varianten von Risiko-Genen bekannt.“
Zusammen mit einem Team des Helmholtz Zentrums München sowie Forschenden aus den Niederlanden und Singapur legte der Gruppenleiter vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), der Charité – Universitätsmedizin Berlin und dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (DZHK) nun eine Arbeit in der Fachzeitschrift Genome Biology vor. Sie ist die bis dato größte genetische Studie, die die gesamten abgelesenen Erbinformationen (das Transkriptom) im Herzgewebe von Gesunden und Kranken vergleicht.
Herztransplantationen ermöglichen größte genetische Studie
Das Forschungsteam interessierte, welche Gene das Risiko für eine dilatative Kardiomyopathie (DCM) erhöhen. Die erbliche Herzmuskelschwäche kann zu Herzversagen und zu plötzlichem Tod führen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sammelten Biopsien der linken Herzkammer von 97 Patienten mit DCM und 108 gesunden Spendern während Herztransplantationen. Sie analysierten das Transkriptom und identifizierten so 228 Gene, die bei DCM-Erkrankten und Gesunden unterschiedlich abgelesen wurden.
Auch bestimmte RNA-Moleküle oder RNA-Modifikationen kamen unterschiedlich oft vor. Das Forschungsteam bestätigte, dass diese regulatorischen Unterschiede vor allem bei den bereits bekannten DCM-Risikogenen auftreten. Zusätzlich bestimmten sie jedoch auch sechzig neue Gene, die im Herzen aktiv und bislang noch nicht mit DCM in Verbindung gebracht wurden.
Menschen mit erhöhtem Risiko frühzeitig erkennen
Dr. Matthias Heinig, Erstautor und Gruppenleiter am Helmholtz Zentrum München, kommentiert: „Unsere Daten sind eine wertvolle Ressource für die gesamte Herz-Kreislauf-Forschung.“ Sie erleichterten die Bewertung von möglichen Risiko-Genen und würden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern neue Ansatzpunkte für die Entwicklung von Medikamenten und diagnostischen Tests bieten. „Ein solcher Test sollte Menschen mit erhöhtem Risiko frühzeitig erkennen“, sagt Heinig. „Dann könnten sie rechtzeitig behandelt werden oder ihren Lebensstil vorsorglich ändern.“
„Für viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt es heute zwar bereits zahlreiche klinische Anhaltspunkte,“ fügt der Mediziner Hübner hinzu. „Wir hoffen aber, dass eine Transkriptom-Analyse diese Vorhersagen einmal verbessern kann.“
Die Studie sei aus einem weiteren Grund ein großer Fortschritt, sagt Hübner: „Wir verstehen DCM nun besser. Unsere Studie hat Stellschrauben für die Entstehung der Krankheit entdeckt, die über die klassischen Gen-Mutationen hinausgehen.“
Referenz
Matthias Heinig et al. (2017): „Natural genetic variation of the cardiac transcriptome in non-diseased donors and patients with dilated cardiomyopathy.“ Genome Biology. doi:10.1186/s13059-017-1286-z (Open Access, online ab dem 14.09.)
https://www.mdc-berlin.de/1150624/ – Website der AG „Experimentelle Genetik von Herz- Kreislauferkrankungen“
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