Seegurken: die Staubsauger der Meere

Eine Seegurke der Gattung Stichopus auf den Philippinen Foto: Jon Altamirano

Wie Seesterne und Seeigel sind Seegurken, von denen es etwa 14.000 Arten gibt, Stachelhäuter. Sie kommen in allen Meeren von der Arktis bis in die Tropen vor, sind wenige Millimeter oder über zwei Meter lang, dünn wie ein Seil oder muskulös und walzenförmig. Sie sind an das Leben am Meeresboden angepasst und vor allem in flachen Küstengewässern zu finden. Viele durchwühlen den sandigen Boden nach Nahrung wie Detritus oder Mikroalgen, verschlingen das Sediment, verdauen die organischen Bestandteile und scheiden den Sand dann wieder aus.

Diese umtriebige Wühltätigkeit war Gegenstand der Untersuchungen, die Forscher vom ZMT vor der Insel Vanua Levu in Fidschi vornahmen. Im Flachwasser hinter einem Korallenriff errichteten sie 16 bodenlose Käfige, die unterschiedlich dicht mit Seegurken der Art Holothuria scabra besetzt wurden. Ein halbes Jahr lang nahmen sie regelmäßig Sedimentproben aus den umgrenzten Bereichen und maßen den Gehalt an Sauerstoff als Indikator für die Menge an verzehrter organischer Masse.

Anders als in den unbesiedelten Gehegen fanden die Forscher in den Käfigen mit einer hohen Anzahl an Seegurken, wie sie auch in unberührten Küstengegenden vorkommt, einen deutlich geringeren Sauerstoffverbrauch im Sediment, dort befand sich also weniger organisches Material. Dies kommt den Organismen zugute, die im Meeresboden leben.

„Unsere Zahlen ergeben, dass Holothurien in einem Jahr auf einem Areal von 1.000 Quadratmetern an die 10.600 Kilo Sediment durcharbeiten“, erklärt Dr. Sebastian Ferse, Riffökologe am ZMT. „Das sind erstaunlich große Mengen, und es ist doppelt so viel wie bisher angenommen. Ähnlich den Wattwürmern der Nordsee sind Seegurken hocheffiziente Biofilter.“

Als solche „Staubsauger der Meere“ sind sie von unschätzbarem Wert für die Meeresökosysteme. Denn an den Küsten gelangen immer mehr Abwässer aus Städten, Hotels, Landwirtschaft und Aquakulturanlagen ins Meer und überdüngen es. Die Seegurken verhindern, dass sich zu viel zerfallende organische Substanz im Meeressand absetzt, die wiederum ein Nährboden für pathogene Bakterien ist und das Wachstum von Algen begünstigt. Nehmen die Algen überhand, können sie kostbare Lebensräume wie Seegraswiesen oder Korallenriffe überwuchern.

Pro Jahr werden jedoch 30.000 Tonnen Seegurken aus dem Meer gefangen, vorwiegend für den asiatischen Markt. In Südost-Asien sind viele küstennahe Meeresregionen bereits leergefischt. Auch in der Karibik und im Roten Meer werden diese Stachelhäuter immer seltener.

Seegurken gelten vor allem in China als Superfood: reich an Eiweißen und Spurenelementen sollen sie Heilmittel für Bluthochdruck sein, Krebs unterdrücken können und eine aphrodisierende Wirkung haben. Sie sind einfach einzusammeln und können mehrere hundert Dollar pro Tier einbringen, was zu ihrer enormen Überfischung beiträgt. „Gekocht und dann getrocknet werden sie zum Beispiel in Suppen gegeben. Ihr Fleisch ist aber eher geschmacksarm und gallertig“, berichtet Sebastian Ferse.

„Die ökologischen Auswirkungen ihrer Überfischung lagen vor unserer Studie nahezu völlig im Dunkeln“, so Ferse. Die Ergebnisse haben die Forscher nun ans Fischereiministerium in Fidschi weitergegeben, dem sie wichtige Erkenntnisse für die Erstellung neuer Fischereirichtlinien liefern. Am ZMT wird darüber hinaus erforscht, wie sich Seegurken in einer integrierten Aquakultur halten lassen, die verschiedene Organismen miteinander kombiniert und so die Ökobilanz verbessert.

Die Ergebnisse der Studie sind kürzlich im internationalen Journal PeerJ publiziert worden:
Lee, S., Ford, A. K., Mangubhai, S., Wild, C., & Ferse, S. C. A. (2018). Effects of sandfish (Holothuria scabra) removal on shallow-water sediments in Fiji. PeerJ, 6, e4773. doi:10.7717/peerj.4773

Kontakt
Dr. Sebastian Ferse
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)
Tel: 0421 / 23800-28
Mail: sebastian.ferse@leibniz-zmt.de

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Dr. Susanne Eickhoff idw - Informationsdienst Wissenschaft

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