Schockgefrorene Schnappschüsse

Aufnahme eines Kryo-Transmissionselektronenmikroskops: Die spiralartigen Strukturen betehen aus einem Triblock-Copolymer. Dessen wasserlöslichen Anteile ordnen sich so an, dass sie im Kontakt zum Wasser stehen. Die unlöslichen Anteile sind im Inneren der Struktur &quot;versteckt&quot;.<br>Foto: Stephanie Höppener/FSU<br>

Bei minus 180 Grad Celsius erstarrt alles. Selbst die Bewegungen von Molekülen sind bei diesen Temperaturen eingeschränkt. Dies machen sich Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen zunutze:

Mit Hilfe der sogenannten Kryo-Transmissionselektronen-mikroskopie können sie Momentaufnahmen molekularer Prozesse in höchster Auflösung machen. Mit flüssigem Stickstoff eingefroren, lässt sich so beispielsweise die Einlagerung molekularer Wirkstofftransporter in zelluläre Zielstrukturen oder die Verteilung von Nanopartikeln innerhalb einer Zelle im Bild festhalten.

An der Friedrich-Schiller-Universität Jena können die Forscher künftig verstärkt auf diese leistungsfähige Technik zurückgreifen: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat der Jenaer Universität gerade die Finanzierung eines neuen Kryo-Transmissionselektronenmikroskops (Kryo-TEM) bewilligt. Das Großgerät soll in der ersten Hälfte des kommenden Jahres gekauft werden.

„Der Vorteil dieses Verfahrens gegenüber anderen elektronenmikroskopischen Techniken ist, dass die Proben in einem lösungsähnlichen Zustand abgebildet werden können“, erläutert Prof. Dr. Ulrich S. Schubert. Der Chemiker ist Direktor des Instituts für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie sowie des neuen „Jena Center for Soft Matter“ (JCSM) der Friedrich-Schiller-Universität, das das Mikroskop federführend beantragt hat. Indem die zu untersuchenden Proben im wässrigen Milieu, also unter natürlichen Bedingungen, analysiert werden, bleiben deren Strukturen weitestgehend erhalten. „Andere elektronenmikroskopische Verfahren setzten eine Präparation der Probe voraus, die die natürliche Struktur und Umgebung der Moleküle verändert“, so Schubert.

Deshalb ist ein Kryo-TEM ideal zur Erforschung von Biomolekülen sowie Polymeren und anderen Materialien geeignet, die im Fokus des JCSM stehen. „Das reicht von der Erforschung von Polymeren für neuartige photonische Nanostrukturen über Nanocontainer für Anwendungen in der Sensorik oder zum Wirkstofftransport bis hin zu neuen Metall-Polymer-Hybridsystemen für die Diagnostik oder organische Solarzellen“, macht Dr. Stephanie Höppener deutlich. Die Physikerin aus Schuberts Team wird als Ansprechpartnerin die Nutzung des Mikroskops koordinieren. Neben dem Institut für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie werden die Institute für Pharmazie sowie für Anorganische und Analytische Chemie und das Elektronenmikroskopische Zentrum der Medizinischen Fakultät zu den Nutzern gehören.

Das neue Kryo-TEM wird seinen Platz im Neubau des Zentrums für Angewandte Forschung am Max-Wien-Platz finden. Die nun gewährte Förderung schließt neben dem eigentlichen Gerät – das mit seinen mehr als drei Metern Höhe und 1,2 Tonnen Gewicht – einen ganzen Raum ausfüllen wird, auch die Finanzierung verschiedener Zusatzkomponenten und Zubehör ein. So können sich die Forscher nicht nur ein Bild verschiedener Proben machen, sondern diese zugleich chemischen Analysen unterziehen oder über Tomographieserien deren dreidimensionale Struktur rekonstruieren.

Kontakt:
Prof. Dr. Ulrich S. Schubert, Dr. Stephanie Höppener
Institut für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie,
Jena Center for Soft Matter (JCSM) der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Humboldtstraße 10, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 948201, 03641 / 948261
E-Mail: ulrich.schubert[at]uni-jena.de, s.hoeppener[at]uni-jena.de

Media Contact

Dr. Ute Schönfelder idw

Weitere Informationen:

http://www.jcsm.uni-jena.de/

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