Richtig herum kuppeln

Viele Medikamente basieren auf Naturstoffen. Da es oft weder wirtschaftlich noch ökologisch vertretbar ist, diese in ausreichenden Mengen aus Pflanzen oder Mikroorganismen zu isolieren, gilt es, die Substanzen künstlich nachzubauen.

Dazu sind Verknüpfungen zwischen Kohlenstoffatomen notwendig – in der richtigen räumlichen Anordnung (Stereochemie) zueinander. E. Peter Kündig und ein Team von der Universität Genf stellen in der Zeitschrift Angewandte Chemie jetzt eine palladiumkatalysierte Synthese vor, mit der sie Indolin-Abkömmlinge in der gewünschten räumlichen Variante herstellen können.

Beim Aufbau großer komplizierter organischer Moleküle ist es meist einfacher, kleinere Einzelteile zu synthetisieren und diese dann über Kohlenstoffatome zum Gesamtmolekül zu verknüpfen. Die Verleihung des Chemie-Nobelpreises 2010 an R. Heck, E. Negishi und A. Suzuki für ihre Arbeiten zur palladiumkatalysierten Kreuzkupplung belegt, wie wichtig solche Methoden sind.

Die Atome in Molekülen wie Naturstoffen können bei gleicher Verknüpfung räumlich verschieden angeordnet sein. Wenn vier verschiedene Partner an ein Kohlenstoffatom gebunden sind, können diese auf zwei verschiedene Weisen angeordnet sein, die sich zueinander verhalten wie Bild und Spiegelbild (Chiralität). Bei der Verknüpfung von Molekülen über Kohlenstoffatome können neue chirale Zentren entstehen. Auf der Wunschliste ganz oben stehen daher Kupplungsreaktionen, die selektiv das Produkt mit der gewünschten räumlichen Anordnung liefern.

Kündig und seine Kollegen haben nun einen Durchbruch erzielt. Sie entwickelten eine neue Synthese für so genannte anellierte Indoline, eine Stoffklasse, die ein wichtiges Motiv in vielen Naturstoffen und Pharmaka ist, wie dem Antitumor-Medikament Vinblastin, dem Antiarrythmikum Ajmalin, aber auch dem Nervengift Strychnin. Indolin ist eine Doppelringstruktur aus einem aromatischen Sechsring und einem stickstoffhaltigen Fünfring, bei anellierten Indolinen ist dieser mit einem zusätzlichen Fünf- oder Sechsring verschmolzen.

Als Ausgangsverbindung diente den Forschern ein Molekül, in dem der mittlere Fünfring noch offen ist. Eines der zu verknüpfenden Kohlenstoffatome wurde durch Anbindung eines Bromatoms aktiviert. Unter Abspaltung des Broms und eines Wasserstoffatoms kommt es zum Ringschluss. Dabei entsteht ein chirales Zentrum, es sind also zwei räumlich verschiedene Varianten möglich. Dank eines neuen speziellen Palladium-Katalysators gelang es den Forschern zum ersten Mal, spezifisch eine C–H-Bindung (von zwei chemisch identischen) in die Reaktion einzubringen. Erfolgsgeheimnis ist ein sperriger chiraler Ligand, der an das Palladiumatom gebunden ist, ein so genanntes N-heterocyclisches Carben. Das Besondere: Mit diesem neuartigen Katalysator bleibt die Selektivität sogar bei den notwendigen hohen Temperaturen um 150 °C erhalten.

Angewandte Chemie: Presseinfo 26/2011

Autor: E. Peter Kündig, Université de Genève (Switzerland), http://www.unige.ch/sciences/chiorg/kundig/home

Angewandte Chemie, Permalink to the article: http://dx.doi.org/10.1002/ange.201102639

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Dr. Renate Hoer GDCh

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