Rätselhafte Genabschriften nach Krebstherapie

DNA Methylierung Quelle: Schuster, DKFZ

Tumorsuppressorgene schützen Zellen vor bösartigen Veränderungen. Werden sie durch chemische Modifikationen an der DNA, so genannte epigenetische Markierungen, abgeschaltet, trägt dies zur Krebsentstehung bei. Im Gegensatz zu Genmutationen sind solche epigenetischen Veränderungen jedoch reversibel und lassen sich beispielsweise durch geeignete Medikamente wieder ausradieren.

„Das wird seit Jahren bei verschiedenen Krebserkrankungen, etwa bei akuter myeloischer Leukämie oder beim Myelodysplastischem Syndrom, erfolgreich praktiziert“, sagt Christoph Plass, Abteilungsleiter im Deutschen Krebsforschungszentrum und Koordinator im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK).

Es sei auch nachgewiesen, dass sich gefährliche Markierungen, etwa auf Tumorsuppressorgenen, auf diese Weise wieder entfernen ließen. „Allerdings gehen die Wirkstoffe wie ein Rasenmäher über die DNA und entfernen praktisch alle Markierungen“, so Plass. „Und bislang hat niemand detailliert überprüft, welche Konsequenz dies für die Tumorzelle hat.“

Plass und seine Mitarbeiter sind dieser Frage nun in Zusammenarbeit mit US-amerikanischen Kollegen nachgegangen. Mit Hilfe von genomweiten Analysen haben die Wissenschaftler festgestellt, dass in Folge der Behandlung unzählige mysteriöser Genabschriften entstehen. Demnach wurden regulatorische Elemente in der DNA aktiviert, so genannte Promotoren, die bislang weitgehend unbeachtet waren. „Das ist das totale Chaos in den behandelten Tumorzellen – damit hatten wir nicht gerechnet“, sagt David Brocks, einer der Erstautoren der Studie.

Eine eingehendere Untersuchung hat gezeigt: Die aktivierten regulatorischen Elemente stammen von Viren ab, die sich in grauer Vorzeit ins Erbgut eingebaut haben. Sie wurden im Laufe der Evolution aber stillgelegt und somit zum normalen DNA-Bestandteil.

Eiweißschnipsel, die auf der Grundlage dieser ungewöhnlichen Genabschriften entstehen, haben das Potenzial, vom Immunsystem erkannt zu werden, und so die körpereigene Abwehr anzukurbeln. Das könnte die Wirkung der eingesetzten Medikamente verstärken. „Nun gilt es zu untersuchen, ob sich dieser Effekt gezielt für die Verbesserung der Therapie ausnutzen lässt“, sagt Plass. Ein weiterer Aspekt: „Es ist denkbar, dass sich diese Genabschriften als Biomarker eignen, um zu prüfen, ob eine epigenetische Therapie beim individuellen Patienten wirkt und sinnvoll ist.“

David Brocks, Christopher R. Schmidt, Michael Daskalakis, Hyo Sik Jang, Nakul M. Shah, Daofeng Li, Jing Li, Bo Zhang, Yiran Hou, Sara Laudato, Daniel B. Lipka, Johanna Schott, Holger Bierhoff, Yassen Assenov, Monika Helf, Alzbeta Ressnerova, Md Saiful Islam, Anders M. Lindroth, Simon Haas, Marieke Essers, Charles D. Imbusch, Benedikt Brors, Ina Oehme, Olaf Witt, Michael Lübbert, Jan-Philipp Mallm, Karsten Rippe, Rainer Will, Dieter Weichenhan, Georg Stoecklin, Clarissa Gerhäuser, Christopher C. Oakes, Ting Wang, und Christoph Plass: DNMT and HDAC inhibitors induce cryptic transcription start sites encoded in long terminal repeats. Nature Genetics, 2017, DOI: 10.1038/ng.3889

Ein Bild zur Mitteilung steht zur Verfügung unter:
http://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2017/bilder/DNA-Methylierung_Que…

Nutzungshinweis für Bildmaterial zu Pressemitteilungen
Die Nutzung ist kostenlos. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) gestattet die einmalige Verwendung in Zusammenhang mit der Berichterstattung über das Thema der Pressemitteilung bzw. über das DKFZ allgemein. Als Bildnachweis ist folgendes anzugeben: „Quelle: Schuster, DKFZ“.
Eine Weitergabe des Bildmaterials an Dritte ist nur nach vorheriger Rücksprache mit der DKFZ-Pressestelle (Tel. 06221 42 2854, E-Mail: presse@dkfz.de) gestattet. Eine Nutzung zu kommerziellen Zwecken ist untersagt.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.

Ansprechpartner für die Presse:

Dr. Sibylle Kohlstädt
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Krebsforschungszentrum
Im Neuenheimer Feld 280
69120 Heidelberg
T: +49 6221 42 2843
F: +49 6221 42 2968
E-Mail: S.Kohlstaedt@dkfz.de

E-Mail: presse@dkfz.de

www.dkfz.de 

Media Contact

Dr. Sibylle Kohlstädt idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues topologisches Metamaterial

… verstärkt Schallwellen exponentiell. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am niederländischen Forschungsinstitut AMOLF haben in einer internationalen Kollaboration ein neuartiges Metamaterial entwickelt, durch das sich Schallwellen auf völlig neue Art und Weise…

Astronomen entdecken starke Magnetfelder

… am Rand des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße. Ein neues Bild des Event Horizon Telescope (EHT) hat starke und geordnete Magnetfelder aufgespürt, die vom Rand des supermassereichen schwarzen Lochs…

Faktor für die Gehirnexpansion beim Menschen

Was unterscheidet uns Menschen von anderen Lebewesen? Der Schlüssel liegt im Neokortex, der äußeren Schicht des Gehirns. Diese Gehirnregion ermöglicht uns abstraktes Denken, Kunst und komplexe Sprache. Ein internationales Forschungsteam…

Partner & Förderer