Ein Pilz mit vielen Strategien

Durch Ustilago maydis verursachte Tumorbildung in einem Maiskolben. Bild: Rolf Rösser<br>

Für Landwirte ist er ein großes Ärgernis, für viele Mexikaner dagegen eine Delikatesse. Die Rede ist von Ustilago maydis, dem Erreger des Maisbeulenbrandes. Diese Pilzart infiziert Stängel, Blätter und Blüten von Maispflanzen und verursacht die Bildung von Tumoren – im Maiskolben entsteht dadurch die in der mexikanischen Küche geschätzte Delikatesse Cuitlacoche. Gunther Döhlemann vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg zufolge nutzt der Pilz offenbar unterschiedliche Wege, um in den verschiedenen Geweben die Bildung von Tumoren anzuregen. Zusammen mit Kollegen aus den USA zeigt der Wissenschaftler damit erstmals, dass Krankheitserreger eigene Proteine organspezifisch bilden und so den Verlauf einer Infektion je nach Gewebe unterschiedlich steuern. (Science, 2. April 2010)

Ustilago maydis kann ganz unterschiedliche Pflanzenteile infizieren. Er benötigt dazu lediglich teilungsfähige Gewebe, in denen er sich ausbreiten kann. Der Pilz dringt dabei durch die Zellwand in die Pflanzenzellen ein, jedoch ohne diese zu zerstören. Vielmehr nutzt er die Wirtszellen zur eigenen Nährstoffversorgung und regt sie zur Teilung an. Allerdings reagieren Blatt-, Stängel- und Blütengewebe unterschiedlich auf solche Signale zur Zellteilung. Der Pilz muss also sein Protein-Arsenal an das jeweilige Organ anpassen, damit er dort das Wachstum von Tumoren auslösen kann.

Zusammen mit der Arbeitsgruppe um Virginia Walbot an der Stanford Universität hat Gunther Döhlemann vom Marburger Max-Planck-Institut entdeckt, dass dies tatsächlich der Fall ist. „Ustilago maydis erkennt gewissermaßen, in welchem Organ er sich befindet, und ob es sich um einen Keimling oder eine ausgewachsene Pflanze handelt. Der Erreger bildet je nach Gewebetyp unterschiedliche Proteine. Manche werden verstärkt, andere weniger produziert“, erklärt Gunther Döhlemann. So werden mehr als ein Drittel der Ustilago-Proteine nur dann gebildet, wenn der Pilz die Blätter infiziert hat. Als Folge werden auch von der Wirtspflanze in den infizierten Blättern andere Proteine produziert als bei einer Infektion der Blüten. Die Analyse zeigte beispielsweise, dass Ustilago die Proteinproduktion in den Blättern stärker verändert als in den Blüten oder im Stängel. In den Blüten sind also weniger Änderungen erforderlich, um Tumore hervorzurufen.

Bislang ging man davon aus, dass Infektionen einer Wirtspflanze durch ein und denselben Krankheitserreger nach einem festgelegten Muster ablaufen. Die Ergebnisse zeigen aber, dass die Erreger durchaus flexibel sein können. Diese Erkenntnisse könnten auch eine Erklärung für die oftmals schwierige Entwicklung von resistenten Pflanzensorten liefern. Denn viele vermeintliche Resistenzfaktoren verhindern möglicherweise nur die Infektion eines bestimmten Gewebetyps. „Der Erreger könnte eine solche oder organspezifische Resistenz also umgehen und beispielsweise statt der Blüten die Blätter befallen. Eine vollständige Resistenz lässt sich demnach nur erreichen, wenn ein Weg versperrt wird, den der Krankheitserreger in allen Geweben benutzt“, sagt Gunther Döhlemann.

Auch solche Proteine produziert Ustilago maydis. Er unterdrückt nämlich die Fähigkeit der Maispflanze, fremde Proteine zu erkennen. Mit dieser Tarnkappe werden die Pilzhyphen für das Immunsystem der Pflanze unsichtbar und können sich so unbehelligt von Zelle zu Zelle ausbreiten. Offenbar sind die basalen Abwehrmechanismen der Pflanze jedoch auch in den verschiedenen Organen sehr ähnlich. Ein Pilz, dem entscheidende Bestandteile seiner Tarnkappe fehlen, wird von der Pflanze in allen ihren Geweben aufgespürt und bekämpft.

Originalpublikation:
Maize Tumors Caused by Ustilago maydis Require Organ-Specific Genes in Host and Pathogen
David S. Skibbe, Gunther Doehlemann, John Fernandes, Virginia Walbot
Science, 2. April 2010
Weitere Informationen erhalten Sie von:
Dr. Gunther Döhlemann
MPI für terrestrische Mikrobiologie
Tel.: +49 6421 / 178-602
Email: doehlemann@mpi-marburg.mpg.de
Dr. Astrid Brandis-Heep, Presse und Öffentlichkeit
Tel.: +49 6421 / 28-21528
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Barbara Abrell Max-Planck-Gesellschaft

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