Pharmacoscopy: Klinische Studie zeigt positive Ergebnisse bei patientenspezifischer Blutkrebstherapie

Durch Pharmacoscopy dargestellte Patientenzellen, eines von 3840 Bildern pro Analyse CeMM/Gregory Vladimer

PatientInnen mit aggressiven Blutkrebsarten, die einen Rückfall erleiden, haben oft wenige therapeutische Optionen und schlechte Überlebensprognosen. Effektive Therapien zu finden, ist selbst mit genetischen Untersuchungen schwierig, da sich Krebszellen rasch verändern und die genauen Auswirkungen der verschiedenen Genmutationen auf die Eigenschaften des Tumors oft nicht ausreichend bekannt sind, um personalisierte Therapien zu entwickeln.

Pharmacoscopy ermöglicht einen neuen Ansatz: In vom Patienten entnommenen Blutproben können Wirkstoffkombinationen ex vivo getestet werden. Pharmacoscopy wurde von WissenschaftlerInnen des CeMM Forschungszentrums für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften entwickelt, in enger Kollaboration mit Klinikern der Medizinischen Universität Wien (Universitätsklinik für Innere I), die für die klinische Studie verantwortlich waren.

Die Methode wurde im April dieses Jahres in der Zeitschrift Nature Chemical Biology vorgestellt (doi:10.1038/nchembio.2360), nun ist deren Wirksamkeit in der ersten klinischen Studie bestätigt und in The Lancet Haematology veröffentlicht worden (doi: 10.1016/S2352-3026(17)30208-9, clincailtrial.gov NCT03096821).

Das multidisziplinäre Team der aktuellen Studie wird von Giulio Superti-Furga, Wissenschaftlicher Direktor des CeMM und Professor für Molekulare Systembiologie an der Medizinischen Universität Wien, und Professor Phillip Staber, Programmdirektor für Lymphome, chronisch lymphatischer Leukämie und T-Zell Lymphome der Medizinischen Universität Wien geleitet.

Bei der durchgeführten Arbeit wurden bisher 17 PatientInnen inkludiert, weitere Teilnehmer werden noch rekrutiert. Durch die mit Pharmacoscopy ermittelten, personalisierten Therapien erlangten 15 der 17 Teilnehmer (88,2 %) eine vollständige oder teilweise Remission, ihre Krankheitsmanifestationen konnten also vollständig oder teilweise zurückgedrängt werden.

Mit den vorrangegangenen Therapien ohne Pharmacoscopy gelang nur in 4 der 17 PatientInnen (23,5%) ein vergleichbarer Erfolg. Gleichzeitig erhöhte sich die mittlere progressionsfreie Überlebensrate durch die Pharmacoscopy-geleitete Therapie von 5,7 auf 22,6 Wochen. Darüber hinaus konnte in einer retrospektiven Studie der Krankheitsverlauf von 20 an akuter myeloischer Leukämie (AML) erkrankten Patienten mit 90-prozentiger Genauigkeit vorhergesagt werden – ein bisher unerreichter Wert für derartige Prognosen.

„Einen robusten, schnellen und zuverlässigen Test für den Effekt von Wirkstoffkombinationen zur Verfügung zu haben, stellt für die behandelnden Ärzte eine enorme Hilfe bei der Wahl der individuell optimalen Therapie dar – speziell bei Patienten mit wiederkehrenden Tumoren in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung, bei denen schnell gehandelt werden muss“, erklärt Phillip Staber, verantwortlicher Prüfarzt der Studie.

„Dass sich die Pharmacoscopy-Methode hilfreich in der Auswahl einer geeigneten Therapie erwiesen hat, ist wunderbar. Die funktionelle Einzelzell-Analyse von direkten Patientenproben ermöglicht uns eine bisher unerreichte Auflösung und Präzision, die wir mit Sicherheit in Zukunft noch weiterentwickeln werden, um unterschiedliche Krankheiten zu bekämpfen“, fügt Giulio Superti-Furga hinzu, der seit der Gründung des Forschungszentrums für Molekulare Medizin vor rund zehn Jahren an der Verbesserung der medizinischen Praxis durch wissenschaftlichen Fortschritt arbeitet.

Video zu Pharmacoscopy: https://vimeo.com/229561929

Bilder im Anhang: 1. & 2.: Wissenschaftler am CeMM arbeitet mit Pharmacoscopy (© CeMM/Wolfgang Däuble) 3. & 4.: Durch Pharmacoscopy dargestellte Patientenzellen, eines von 3840 Bildern pro Analyse

Die Studie „Image-based ex-vivo drug screening for patients with aggressive haematological malignancies: interim results from a single-arm, open-label, pilot study “ erschien in der Zeitschrift The Lancet Haematology am 13. November 2017. DOI: 10.1016/S2352-3026(17)30208-9

Autoren: Berend Snijder*, Gregory I Vladimer*, Nikolaus Krall, Katsuhiro Miura, Ann-Sofie Schmolke, Christoph Kornauth, Monika Sabler, Oscar Lopez de la Fuente, Hye-Soo Choi; Emiel van der Kouwe; Sinan Gültekin, Lukas Kazianka, Johannes Bigenzahn, Gregor Hörmann, Nicole Prutsch, Olaf Merkel, PhD; Anna Ringler; Georg Jeryczynski, Marius Mayerhöfer, Ingrid Simonitsch-Klupp, Katharina Ocko, Franz Felberbauer, Leonhard Müllauer, Gerald W Prager, Belgin Korkmaz, Lukas Kenner, Wolfgang R Sperr, Robert Kralovics, Heinz Gisslinger, Peter Valent, Stefan Kubicek, Ulrich Jäger, Philipp B Staber, und Giulio Superti-Furga.

Förderung: Die Studie wurde von dem Europäischen Forschungsrat (ERC), dem Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der Österreichischen Nationalbank, dem Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW), der Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung, der MPN Research Foundation, dem Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und der European Molecular Biology Organization (EMBO) unterstützt.

Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter der wissenschaftlichen Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen sowie seltene Erkrankungen. Das Forschungsgebäude des Instituts befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien. www.cemm.at

Die Medizinische Universität Wien (MedUni Wien) ist eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Europas. Mit rund 8.000 Studierenden ist sie heute die größte medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit 5.500 MitarbeiterInnen, 27 Universitätskliniken und etlichen medizintheoretischen Zentren und hochspezialisierten Laboratorien zählt sie zu den bedeutendsten Forschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich. Der klinische und forscherische Schwerpunkt der Medizinischen Universität liegt auf den Themen Immunologie, Neurobiologie, Imaging, Onkologie und Herz-Kreislauferkrankungen. www.meduniwien.ac.at

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