Pflanzliche Wirkstoffe gegen Krebs und Malaria

Das afrikanisch-deutsche Forschungsteam hat aus den Pflanzen mehrere potenzielle Wirkstoffe gegen Tumoren und den Malaria-Erreger isoliert und ihre chemischen Strukturen aufgeklärt. Die medizinisch interessanten Stoffe heißen Phenylanthrachinone. Sie kommen zum Beispiel in der Fackellilie (Kniphofia) vor oder in der Bulbine. Beide Pflanzen sind in Afrika heimisch und in Südafrika weit verbreitet. Zuchtformen der Fackellilie gedeihen als Zierpflanzen auch in deutschen Gärten.

Gerhard Bringmann: „Phenylanthrachinone sind eine ganz ungewöhnliche Klasse von Naturstoffen: Die Moleküle bestehen aus zwei Teilen, die über eine Achse miteinander verbunden sind.“ Die Achse kann sich nicht frei drehen, und darum treten die Moleküle in verschiedenen spiegelbildlichen Formen auf, die unterschiedliche Wirkungen haben können.

Aktiv gegen Leukämie und Malaria

Alle Phenylanthrachinone besitzen ein bestimmtes Bauelement, das auch in anderen Anti-Tumor-Wirkstoffen vorkommt. Die Vermutung lag also nahe, dass die Phenylanthrachinone gegen Krebszellen aktiv sein müssten.

„In Labortests zeigten die Stoffe, etwa das Knipholon, zum Teil ganz exzellente Wirkungen gegen bestimmte Leukämiezellen“, so Bringmann. Der Effekt sei durchaus vergleichbar mit dem von Etoposid, einer Substanz, die in der Krebstherapie etabliert ist.

Aufgefallen sind einige der Naturstoffe bei Testreihen im Labor auch dadurch, dass sie gegen den Malaria-Erreger Plasmodium falciparum wirken. Dieser einzellige Parasit befällt im Organismus des Menschen unter anderem die roten Blutkörperchen.

Strukturen aufgeklärt, Synthesen realisiert

Entdeckt wurden die medizinisch interessanten Wirkungen der Phenylanthrachinone im Würzburger Sonderforschungsbereich 630. Dieser hat sich die Erkennung, Gewinnung und funktionale Analyse von Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten zum Ziel gesetzt; Gerhard Bringmann ist sein Sprecher.

Die Würzburger Naturstoffchemiker haben sich in den vergangenen Jahren intensiv damit beschäftigt, die genaue dreidimensionale Struktur der Phenylanthrachinone aufzuklären und sie synthetisch herzustellen. Ein Höhepunkt dieser Arbeiten war die Entdeckung so genannter dimerer Vertreter: In diesem Fall lagern sich zwei Moleküle aneinander. Stolz verweist Bringmann zudem auf die erstmalige Laborsynthese einer ganzen Serie von Knipholon-ähnlichen Wirkstoffen.

„Durch unsere Arbeiten ist die Zahl der bekannten Phenylanthrachinone von fünf auf über 20 gestiegen“, sagt der Würzburger Professor. Doch immer noch seien die Inhaltsstoffe vieler Kniphofia- und Bulbine-Arten gar nicht oder unzureichend erforscht. Das zu ändern, ist ein zentraler Ansatzpunkt des Dreiecksprojektes Johannesburg – Nairobi – Würzburg.

Spezialgebiete der afrikanischen Partner

Die südafrikanischen Partner um Professor Ben-Erik Van Wyk in Johannesburg beschäftigen sich mit der botanischen Verwandtschaft und der taxonomischen Einordnung der Pflanzen – sie gelten auf diesem Gebiet als die Weltexperten schlechthin. Der wechselseitige Austausch mit den Südafrikanern steht noch am Anfang.

Gegenseitige Gastbesuche mit den kenianischen Partnern aus der Gruppe von Professor Abiy Yenesew sind seit längerem etabliert. Die Gruppe will das Wissen aus der traditionellen Volksmedizin und Ergebnisse der pflanzenchemischen Forschung zusammenführen und damit einen Beitrag zur pharmazeutischen Erschließung afrikanischer Heilpflanzen leisten.

Fast 100 Pflanzenarten haben die kenianischen Forscher bislang zusammengetragen und botanisch charakterisiert. Etwa 25 davon haben sie in einem gemeinsamen Projekt, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), in den Laboratorien in Nairobi und in Würzburg pflanzenchemischen Analysen unterworfen. Dabei wurden unter anderem neue Phenylanthrachinone aus Kniphofia- und Bulbine-Arten entdeckt und strukturell aufgeklärt.

Riesenmolekül mit spannenden Eigenschaften

„Noch lange sind nicht alle Schätze gehoben, die die Affodill-Gewächse für uns parat halten“, sagt Gerhard Bringmann. Laufende Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Pflanzen gleich vier Phenylanthrachinon-Moleküle quasi zu einem „Riesenmolekül“ zusammenbauen können. Dieses sei besonders spannend. Wegen seiner speziellen räumlichen Struktur kann es möglicherweise mit Enzymen oder der Erbsubstanz DNA in Wechselwirkung treten – eine günstige Eigenschaft für potenzielle medizinische Anwendungen.

Weiter Weg zu neuen Medikamenten

Der Weg hin zur Entwicklung neuer Medikamente allerdings ist weit und schwierig, zeitaufwändig und kostenintensiv. „Noch ist nicht absehbar, ob die Phenylanthrachinone den Sprung in die pharmazeutische Entwicklung und letztendlich in die klinische Prüfung schaffen werden“, so Bringmann.

Dennoch will der Dreiecksverbund Johannesburg – Nairobi –Würzburg weitere potenzielle Arzneistoff-Kandidaten identifizieren. Solche Kooperationsprojekte sind wichtig: Seit Jahren stagniert laut Bringmann die Zahl der neu zugelassenen Medikamente, obwohl der Bedarf an neuen Wirkstoffen und Therapiekonzepten enorm hoch ist. Alleine an Malaria und Krebs sterben jährlich Millionen von Menschen.

Kontakt

Prof. Dr. Gerhard Bringmann, Institut für Organische Chemie der Universität Würzburg, T (0931) 31-85323, bringman@chemie.uni-wuerzburg.de

Media Contact

Robert Emmerich idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-wuerzburg.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Nanofasern-befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Wenn Immunzellen den Körper bewegungsunfähig machen

Weltweit erste Therapie der systemischen Sklerose mit einer onkologischen Immuntherapie am LMU Klinikum München. Es ist ein durchaus spektakulärer Fall: Nach einem mehrwöchigen Behandlungszyklus mit einem immuntherapeutischen Krebsmedikament hat ein…

Partner & Förderer