Die perfekte Welle: Zoologe der Uni Graz liefert Beweis für Verteidigungsstrategie von Riesenhonigbienen

Letzteres konnte Prof. Dr. Gerald Kastberger mit seiner Arbeitsgruppe vom Institut für Zoologie der Karl-Franzens-Universität Graz nun erstmals durch umfassende Verhaltensstudien bei südostasiatischen Riesenhonigbienen nachweisen. Die neuesten Erkenntnisse des Grazer Forschers wurden soeben im internationalen Wissenschaftsmagazin PLoS ONE veröffentlicht.

Die Riesenhonigbienen der Art Apis dorsata – beheimatet südlich des Himalaya sowie von Pakistan bis Indonesien und Borneo – bauen frei hängende Nester an Bäumen, Felsen oder Gebäuden. Eine Kolonie bildet dabei rund um die einzige große Wabe einen „Vorhang“ aus Tausenden Bienen, die sich nebeneinander und übereinander anordnen. Nähern sich feindliche Wespen – unter ihnen auch Hornissen -, so erzeugen die Bienen ihre „Verteidigungswellen“. Koordiniert schlagen Hunderte Individuen, eine Biene nach der anderen, ihren Hinterleib nach oben, und dabei breitet sich diese Welle im Bruchteil einer Sekunde über das Nest aus, das bis zu zwei Metern Spannweite haben kann.

„Soziale Wellen, wie sie bei den Riesenhonigbienen in Südostasien vorkommen, sind im Tierreich einzigartig“, sagt Gerald Kastberger. „Dieses Phänomen war zwar bereits einige Zeit bekannt, neu ist aber, dass wir jetzt erstmals die Bedeutung der Wellen nachweisen konnten, nämlich dass sie von den Riesenhonigbienen gezielt zur Verwirrung und erfolgreichen Abschreckung von NesträuberInnen eingesetzt werden“, berichtet der Wissenschafter, der sich bereits seit vielen Jahren der Erforschung von Apis dorsata widmet.

Mit ihrem Stachel kommen die Bienen gegen die „gepanzerten“ Wespen nicht an, und so mussten sie andere Strategien entwickeln, um sich gegen diese Fressfeindinnen zur Wehr zu setzen. Kastberger ist aufgrund seiner Untersuchungsergebnisse überzeugt, dass die Taktik der Verteidigungswellen im Laufe der Evolution über Jahrmillionen perfektioniert wurde, in optimaler Abstimmung auf das Verhalten der Wespen.

Wie rund 500 analysierte Interaktionen gezeigt haben, kommt es zu einem feinen Wechselspiel zwischen den Bewegungen des Bienenvorhangs und den Reaktionen der heran fliegenden Räuberinnen. „Je näher eine Wespe dem Nest kommt, umso mehr Bienen beteiligen sich an der Welle und umso höher wird deren Wiederholrate“, erklärt der Zoologe. Auch die Fluggeschwindigkeit der Fressfeindinnen sei ausschlaggebend.

„Die Wespe wiederum lässt sich von einer raschen, intensiven Wellenbewegung tatsächlich abschrecken – das funktioniert bis zu einer Entfernung von etwa 50 Zentimetern vom Nest. Die Riesenhonigbienen haben damit eine regelrechte Sicherheitszone etabliert“, so Kastberger. Außerhalb dieses Bereichs üben die Wellen hingegen eine Art Attraktion aus, wie der Forscher an Hornissen beobachten konnte.

Gelangt eine Räuberin trotz allem ganz nah an das Nest heran, so setzen die Bienen auf kleinere Wellen, um sie zu verwirren. „Kommt es aber zum Körperkontakt mit dem Nest, so zieht eine Gruppe besonderer Wächterbienen den Eindringling in den Bienenvorhang hinein und heizt das Opfer so lange auf, bis es daran zugrunde geht. Im Gegensatz zu den Wespen halten die Bienen die 45 bis 48 Grad Celsius aus, die sie mit ihren Flugmuskeln erzeugen“, erklärt der Wissenschafter.

Die gegen Wespen so erfolgreiche Wellentaktik wirke aber keineswegs gegen alle RäuberInnen. Kastberger: „Vögel, beispielsweise Bienenfresser oder Wespenbussarde, sind darauf spezialisiert, Bienen aus dem Nest zu erbeuten. Die Verteidigungswellen würden hier nichts nützen und werden deshalb auch kaum Vögeln gegenüber erzeugt.“ Stattdessen setzen die Bienen in so einem Fall binnen Sekunden einen Schwarm stechfreudiger Angreiferinnen frei, die den Vögeln gezielt nachfliegen, aber auch im Umkreis von mehreren Hundert Metern alles, was sich bewegt, attackieren.

„Das macht diese Riesenhonigbienen selbst für die ortsansässige Bevölkerung unberechenbar und wirklich gefährlich“, wie der Forscher weiß. Für den Bienenfresser ist eine solche Konterattacke allerdings ein regelrecht gefundenes Fressen. „Er setzt sich auf den nächsten Ast, die Bienen versuchen ihn zu stechen, verfangen sich dabei in seinem Gefieder und der Vogel zupft sich dann genüsslich Biene um Biene aus den Federn und lässt sie sich wohl schmecken“, so Kastberger.

Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Gerald Kastberger
Institut für Zoologie der Karl-Franzens-Universität Graz
Tel.: 0316/ 380-5612;-5613
E-Mail: gerald.kastberger@uni-graz.at

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Gudrun Pichler idw

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