Mit optogenetischen Werkzeugen psychiatrische Krankheitsbilder testen

Verschiedene psychiatrische Krankheiten, wie beispielsweise Autismus und Schizophrenie, manifestieren sich unter anderem auch durch ähnliche kognitive und soziale Verhaltensauffälligkeiten.

Ein verbindendes Merkmal dieser Erkrankungen scheint ein erhöhtes Aktivitätsverhältnis zwischen stimulierenden und hemmenden Neuronen zu sein. Experimentell sind solche Vermutungen nur schwer zu belegen. Mit Hilfe der Optogenetik, einer neuen, innovativen Methode, mit der durch Licht aktivierbare Proteine aus Mikroorganismen in ausgewählte Neuronen eingebracht werden, könnten diese Zusammenhänge aufgeklärt werden.

Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden kürzlich in der Online-Ausgabe von Nature veröffentlicht. In enger Kooperation mit Neurophysiologen aus Stanford hat die Arbeitsgruppe von Peter Hegemann vom Institut für Biologie der Humboldt-Universität einen neuen lichtaktivierten Kanal, Channelrhodopsin (ChR), mit extrem langer Öffnungszeit entwickelt. Dieser ermöglicht es, Neuronen mit einem blauen Millisekunden-Lichtpuls für mehrere Minuten zu aktivieren. Weiterhin wurde eine Channelrhodopsinvariante, die Grünlicht absorbiert, entwickelt. Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit, zwei Neuronenpopulationen effizient und unabhängig voneinander mit Licht zu aktivieren.

Beide neu eingeführten optogenetischen Werkzeuge wurden in der Gruppe von Karl Deisseroth (Stanford) in stimulierende und hemmende Neuronen des medialen präfrontalen Kortex von Mäusen implementiert. Während das Verhalten der Mäuse beobachtet wurde, konnte durch eine dünne, flexible Glasfaser situationsabhängig Licht ins Gehirn appliziert werden. Extrazelluläre Ableitungen am Gehirn bestätigten, dass eine Erhöhung der Gamma-Wellen zwischen 30 – 80Hz, wie sie bei Schizophrenie und Autismus beobachtet wird, durch Licht ausgelöst werden konnte. Hierbei zeigten die Mäuse bei Lichtstimulation krankheitstypisches Verhalten, das mit sozialen Defiziten korrelierte. Bei gleichzeitiger Aktivierung der Grünlicht absorbierenden ChRs in den hemmenden Neuronen konnte sowohl die erhöhte Aktivität als auch das defizitäre Verhalten kompensiert und normales soziales Verhalten wieder hergestellt werden.

Mit Hilfe dieser neuen optogenetischen Werkzeuge konnte somit gezeigt werden, dass durch Licht aktivierte Neuronen im Kortex der Maus zu Verhaltensänderungen führen, die mit psychiatrischen Krankheiten assoziiert werden können.

Yizhar et al. (2011). Neocortical excitation/inhibition balance in information processing and social dysfunction. Nature doi:10.1038/nature10360.

WEITERE INFORMATIONEN
Prof. Dr. Peter Hegemann
Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Biologie
Unter den Linden 6
10099 Berlin
E-Mail: hegemape@rz.hu-berlin.de

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Constanze Haase idw

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