Omikron-Subvariante BA.5 infiziert effizient Lungenzellen
Omikron-Varianten sind weltweit für die meisten COVID-19-Infektionen verantwortlich. Im Vergleich zu früheren Virusvarianten verursacht Omikron seltener schwere Erkrankungen.
Von Omikron abgeleitete Virusvarianten sind aktuell weltweit für die meisten SARS-CoV-2-Infektionen verantwortlich. Im Vergleich zu früheren Virusvarianten verursacht Omikron seltener schwere Erkrankungen. Ein wichtiger Grund hierfür ist nach aktuellem Wissensstand, dass Omikron Lungenzellen schlechter infiziert und daher seltener eine Lungenentzündung auslöst.
Ein internationales Team, dem auch Wissenschaftler*innen des Deutschen Primatenzentrums – Leibniz-Institut für Primatenforschung angehören, hat jetzt jedoch eine Mutation im Spike-Protein der Omikron-Subvariante BA.5 identifiziert, die es dem Virus wieder ermöglicht, Lungenzellen effizient zu infizieren. Die Studie zeigt, dass zukünftig Omikron-Subvarianten entstehen können, die wieder effektiv Lungenzellen infizieren und dadurch schwere Krankheitsverläufe in Risikopatienten und Menschen mit unzureichender Immunität hervorrufen könnten (Nature Communications).
Omikron-Subvarianten
Die Omikron-Subvarianten BA.1 und BA.2 dominierten die COVID-19-Pandemie in der ersten Hälfte des Jahres 2022. Diese Subvarianten haben gemeinsam, dass sie Lungenzellen deutlich schlechter infizieren, als früher zirkulierende Varianten wie die Delta-Variante. Bisher war unklar, ob die Omikron-Subvariante BA.5, die im Herbst 2022 andere Omikron-Subvarianten verdrängt hat, ebenfalls nur schlecht Lungenzellen infiziert. Ein Team um Markus Hoffmann und Stefan Pöhlmann vom Deutschen Primatenzentrum hat nun gezeigt, dass BA.5 aufgrund einer Mutation im Spike-Protein Lungenzellen deutlich effizienter infiziert, als frühere Omikron-Subvarianten.
Dr. Markus Hoffmann, der Erstautor der Studie (links) und Prof. Dr. Stefan Pöhlmann, Leiter der Abteilung Infektionsbiologie am Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung. Foto: Karin Tilch/DPZ Deutsches Primatenzentrum GmbH – Leibniz-Institut für Primatenforschung
Mutation im Spike-Protein
Die Forschenden fanden heraus, dass das Spike-Protein der Omikron-Subvariante BA.5 stärker gespalten wird, als bei früheren Subvarianten. Zudem kann das Spike-Protein von BA.5 effizienter den Eintritt des Virus in Lungenzellen vermitteln und Lungenzellen effektiver verschmelzen. Um zu untersuchen, wie das Virus in Lungenzellen eintritt, verwendeten die Forschenden sogenannte „Pseudo-Viren“, ein sicheres Modellsystem des echten Krankheitserregers. Markus Hoffmann, Erstautor der Studie, erklärt: „Wir haben festgestellt, dass BA.5 eine Mutation erworben hat, die es dem Virus erlaubt, besser in Lungenzellen einzudringen, als die vorher dominierenden Omikron-Subvarianten. Die laufende Evolution der Omikron-Subvarianten kann also auch Viren hervorbringen, die sich wieder effektiv in den unteren Atemwegen ausbreiten und möglicherweise schwere Krankheitsverläufe verursachen können, zumindest in Personen ohne effektiven Immunschutz.“ Die Hauptverantwortung für diese veränderten Eigenschaften von Omikron-BA.5 liegt bei einer Schlüsselmutation, die als „H69Δ/V70Δ“ bezeichnet wird.
Bestätigung am echten Virus
Um die Ergebnisse mit echten Viren zu bestätigen, führte das Team von Christian Drosten an der Virologie der Charité – Berliner Universitätsmedizin weitere Experimente durch. Die Forschenden zeigten, dass auch echte Viren des BA.5-Stammes effizient Lungenzellen infizieren und bekräftigten hiermit die Göttinger Ergebnisse. Um festzustellen, ob Omikron BA.5 auch im lebenden Organismus Lungenzellen infiziert, verglichen Forschende an der University of Iowa in den USA die Lungen von Mäusen, die mit BA.5 infiziert wurden, mit denen, die andere Omikron-Subvarianten erhielten. Sie stellten fest, dass BA.5 sich bis zu 1000-mal effizienter in den Lungen von Mäusen vermehrt als frühere Omikron-Subvarianten.
Außerdem wurde in Experimenten mit Frettchen am Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald – Insel Riems festgestellt, dass sich die BA.5-Subvariante in den oberen Atemwegen besser ausbreitet als frühere Varianten. „Alles zusammen deutet darauf hin, dass BA.5, ähnlich wie andere Omikron-Subvarianten, hochansteckend ist aber zusätzlich die Fähigkeit zurückerlangt hat, effizient Lungenzellen zu infizieren“, sagt Stefan Pöhlmann, Leiter der Abteilung Infektionsbiologie am Deutschen Primatenzentrum.
„Die weitere Evolution der Omikron-Subvarianten sollte daher genau verfolgt werden, um Varianten mit möglicherweise erhöhtem Gefährdungspotenzial schnell identifizieren zu können.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Markus Hoffmann
Tel.: +49 (0) 551 3851-338
E-Mail: mhoffmann@dpz.eu
Prof. Dr. Pöhlmann
Tel.: +49 551 3851-150
E-Mail: spoehlmann@dpz.eu
Originalpublikation:
Hoffmann M., Wong L. Y. R., Arora P. et al. Omicron subvariant BA.5 efficiently infects lung cells. Nature Communications 14: 3500 (2023). https://doi.org/10.1098/rsos.221225
Weitere Informationen:
https://www.dpz.eu/de/startseite/einzelansicht/news/omikron-subvariante-ba5-infi…
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Datensammlung für Tsunami-Frühwarnsysteme
Expedition MSM132 erforscht vulkanische Risiken in der Ägäis. Ein internationales Team von Forschenden ist heute mit der MARIA S. MERIAN in die Ägäis aufgebrochen, um das Vulkansystem Kolumbo bei Santorini…
Auf den Spuren des Megaerdbebens von 2011
Was war die Ursache des großen Tōhoku-Erdbebens von 2011, und wie können wir geologische Prozesse besser verstehen, um langfristig Küsteninfrastruktur zu schützen – zum Beispiel vor einem Tsunami wie vor…
Rettungsinseln für Wildbienen
Die Bedeutung von Steinbrüchen. Ein Forschungsteam der Universität Göttingen, des NABU in Rhede und des Johann Heinrich von Thünen-Instituts in Braunschweig hat die Bedeutung von Kalksteinbrüchen für den Wildbienenschutz untersucht….