Nervenzellen bündeln ihre Synapsen

Die Synapsen von Pyramidenzellen der Großhirnrinde bilden funktionale Gruppen (grün in der Rekonstruktion). MPI für Neurobiologie / Schorner
Die Zellen der Großhirnrinde haben viel zu tun. Je nachdem in welchem Areal sie liegen, verarbeiten sie die unterschiedlichsten Informationen. So kommen beispielsweise die Signale von der Netzhaut in der Sehrinde an, wo daraus unter anderem die Bewegung von Objekten erkannt wird.
Die Pyramidenzellen der Großhirnrinde empfangen die Informationen von anderen Zellen über tausende Kontaktstellen, den Synapsen. Je nachdem wo, wie viele und wie häufig Synapsen aktiv werden, gibt die Zelle ein Signal weiter – oder auch nicht.
Weitergeleitete Informationen haben die Form elektrischer Signale. Diese können Wissenschaftler an verschiedenen Stellen der Nervenzelle messen. „Das Spannende ist, dass das Signal, das die Zelle von, sagen wir mal zehn, gemeinsam aktiven Synapsen erhält, größer sein kann, als die Summe der einzelnen Signale jeder der zehn Synapsen“, fasst Volker Scheuss die Grundlage seiner gerade publizierten Studie zusammen. „Bisher war jedoch unklar, ob dieses Phänomen durch eine spezielle Anordnung der Synapsen auf den Pyramidenzellen zu erklären ist.“
Durch die Kombination modernster Methoden sind die Neurobiologen aus der Abteilung von Tobias Bonhoeffer der Synapsenanordnung nun auf den Grund gegangen. So konnten die Forscher mit Hilfe der Optogenetik Pyramidenzellen eines bestimmten Typs in Hirnschnitten der Maus gezielt aktivieren.
Dank gleichzeitigem „Kalzium-Imaging“ konnten sie dann unter dem Zwei-Photonen-Mikroskop die Aktivität der einzelnen Synapsen beobachten und aufzeichnen. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler erstmals zeigen, wo und in welchem Verhältnis zueinander die Synapsen angeordnet sind.
Die durchgeführten Synapsenkartierung mit Hilfe eines neu entwickelten Algorithmus waren eindeutig: Die Synapsen der Pyramidenzellen bildeten Gruppen aus vier bis 14 Synapsen, verteilt auf jeweils weniger als 30 Mikrometern. „Die Existenz dieser Gruppen legt nahe, dass die Synapsen sich gegenseitig beeinflussen und so die Stärke des Gesamtsignals steuern können“, erklärt Onur Gökçe, der Erstautor der Studie.
Dies ist die erste anatomische Grundlage für die aus Aktivitätsmessungen bekannte überproportionale Stärke gebündelter Synapsensignale im Vergleich zu den einzelnen Signalen. Zudem ist die Beobachtung gerade für die untersuchten Schicht-5-Pyramidenzellen von besonderem Interesse, da die Aktivität dieser Zellen synchron oszilliert.
„Diese rhythmische Aktivität, die wahrscheinlich die Verarbeitung visueller Informationen beeinflusst, könnte die gefundenen Synapsengruppen synchron aktivieren und so zur Verstärkung des empfangenen Gesamtsignals führen“, so Scheuss.
ORIGINALVERÖFFENTLICHUNG
Onur Gökçe, Tobias Bonhoeffer, Volker Scheuss
Clusters of synaptic inputs on dendrites of layer 5 pyramidal cells in mouse visual cortex
eLife, online am 19. Juli 2016
KONTAKT
Dr. Stefanie Merker
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Neurobiologie, Martinsried
Tel.: 089 – 8578 3514
E-Mail: merker@neuro.mpg.de
Prof. Dr. Tobias Bonhoeffer
Abteilung „Synapsen – Schaltkreise – Plastizität“
Max-Planck-Institut für Neurobiologie, Martinsried
Tel.: 089 – 8578 3751
Email: office.bonhoeffer@neuro.mpg.de
http://www.neuro.mpg.de/bonhoeffer/de – Webseite von Prof. Bonhoeffer am MPI für Neurobiologie
http://dx.doi.org/10.7554/eLife.09222 – Link zur Originalveröffentlichung in eLife (ab 19.7.2016)
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