Naturstoff Hederagenin: Ein Durchbruch in der Schmerzregulationsforschung
Ein kürzlich erzielter Durchbruch in der Schmerzforschung gibt Hoffnung für Patienten mit chronischen Schmerzen. Ein Team unter der Leitung von Prof. Dr. Annette Beck-Sickinger am Institut für Biochemie der Universität Leipzig hat das Potenzial eines natürlichen Wirkstoffs, Hederagenin, entdeckt. Dieser Stoff, der in der Heilpflanze Efeu (Hedera helix) vorkommt, wurde als hochselektiver Inhibitor des Neuropeptid-FF-Rezeptors 1 (NPFFR1) identifiziert. Diese Entdeckung, veröffentlicht in der renommierten Fachzeitschrift Angewandte Chemie International Edition, stellt einen bedeutenden Fortschritt in Richtung innovativer Schmerztherapien dar.
Die Rolle von NPFFR1 in der Schmerzregulation verstehen
NPFFR1 gehört zur Familie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR), die eine entscheidende Rolle in den Signalübertragungsprozessen des menschlichen Körpers spielen. Dieser Rezeptor befindet sich überwiegend im Rückenmark und in spezifischen Gehirnarealen, die für die Schmerzwahrnehmung zuständig sind. Wissenschaftler haben lange nach Methoden gesucht, um NPFFR1 zu blockieren, da die Hemmung dieses Rezeptors wirksame Behandlungen für chronische Schmerzen ermöglichen könnte. Dabei traten jedoch Herausforderungen auf, da der Rezeptor große Ähnlichkeiten mit anderen Proteinen innerhalb der GPCR-Familie aufweist.
Hederagenin: Eine natürliche Lösung
Das Forschungsteam, in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Michael Schaefer von der Medizinischen Fakultät, testete Tausende von Substanzen mithilfe einer leistungsstarken pharmakologischen Screening-Plattform. Unter diesen stach Hederagenin, ein aus Efeu gewonnenes Molekül, als hochwirksamer und selektiver Antagonist für NPFFR1 hervor. Diese Ergebnisse wurden durch In-vitro-Studien und fortschrittliche Computermodellierungen, durchgeführt von der Gruppe von Prof. Dr. Jens Meiler am Institut für Arzneimittelentwicklung, bestätigt.
Diese Studien enthüllten die Bindungsweise von Hederagenin und gaben Einblicke in dessen Mechanismus als selektiver Antagonist. Dieses Wissen könnte den Weg für die Entwicklung präziser Therapeutika zur Behandlung von Schmerzsyndromen ebnen.
Die Bedeutung interdisziplinärer Forschung
Der Erfolg dieser Studie unterstreicht den Wert von Grundlagenforschung und interdisziplinärer Zusammenarbeit. Die Arbeiten wurden im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1423 durchgeführt, der sich auf die strukturelle Dynamik der GPCR-Aktivierung und -Signalübertragung konzentriert. Laut Prof. Dr. Beck-Sickinger: „Diese Ergebnisse tragen wesentlich zum Verständnis des Aktivierungsmechanismus von NPFFR1 bei und können die rationale Entwicklung zukünftiger Therapeutika für chronische Schmerzen erleichtern.“
Ein Fortschritt in der Schmerztherapie
Die Entdeckung von Hederagenin stärkt die Bedeutung der Nutzung natürlicher Verbindungen in der Arzneimittelentwicklung. Efeuextrakte sind in der Phytomedizin historisch für ihre krampflösenden und schmerzlindernden Eigenschaften bekannt, und diese Forschung baut auf diesem Erbe auf, um moderne medizinische Lösungen anzubieten.
Hederagenin: Eine neue Ära im Schmerzmanagement
Diese bahnbrechende Studie zeigt, wie Grundlagenforschung zu Anwendungen mit transformativer Wirkung führen kann:
- Durch das Verständnis der Aktivierungs- und Hemmungsmechanismen von NPFFR1 sind Forscher der Entwicklung gezielter Therapien für chronische Schmerzen einen Schritt näher.
- Die Entdeckung von Hederagenin erweitert das Wissen über die Schmerzregulation.
Menschen weltweit leben weiterhin mit unerträglichen chronischen Schmerzen. Mit der Entdeckung von Hederagenin erhalten Wissenschaftler die Möglichkeit, technologisch fortschrittliche und sicherere Medikamente gegen anhaltende Schmerzen zu entwickeln.
Original publikation
Hannah Lentschat, Fabian Liessmann, Claiborne Tydings, Dr. Tina Schermeng, Dr. Jan Stichel, Nicole Urban, Prof. Dr. Michael Schaefer, Prof. Dr. Jens Meiler, Prof. Dr. Annette G. Beck-Sickinger
Zeitschrift: Angewandte Chemie (Wiley Online Library)
Titel des Artikels: Hederagenin is a Highly Selective Antagonist of the Neuropeptide FF Receptor 1 that Reveals Mechanisms for Subtype Selectivity
Veröffentlichungsdatum des Artikels: 06-Dezember-2024
DOI: https://doi.org/10.1002/anie.202417786
Weitere Informationen
https://research.uni-leipzig.de/sfb1423/
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