Wenn Moleküle sich selbstständig organisieren
Aus der Biologie kennt man das Prinzip: Biomoleküle lagern sich in wässriger Lösung selbstständig aneinander und bilden so DNS, Proteine und Zellen, die molekularen Maschinen des Lebens.
Die Chemie hat diese Eigenschaft von Molekülen vor einigen Jahren für sich entdeckt – und arbeitet seitdem intensiv auf dem Gebiet. „Supramolekulare Chemie“ lautet das Stichwort dazu, und supramolekulare Funktionsmaterialien sind die Stoffe, mit denen sich Dirk G. Kurth befasst.
Brillen reparieren sich selbst
„Moleküle gruppieren sich spontan zusammen und bilden einen Verbund, der dynamisch und flexibel ist und sich an veränderte Bedingungen anpassen kann“, schwärmt Kurth von den Stoffen, mit denen er arbeitet. Ein Brillenglas, das mit einem solchen Material beschichtet ist, muss nicht weggeschmissen werden, wenn es einen Kratzer erhalten hat. Die Moleküle in der Beschichtung lagern sich stattdessen von ganz alleine um, organisieren sich von neuem und reparieren so die schadhafte Stelle.
Fensterscheiben verdunkeln sich
Oder, anderes Beispiel: „Wir arbeiten mit Materialien, die schaltbare magnetische Eigenschaften besitzen und auf Licht reagieren“, sagt der 44-Jährige. Auf eine Fensterscheibe aufgebracht, verdunkelt sich die Schicht, wenn viel Licht auf sie fällt, und wird, beispielsweise in der Nacht, wieder hell und durchlässig. „Zusätzlich ist das Material auch noch regulierbar“, so der Chemiker. Wem es also zu hell oder zu dunkel sein sollte, der kann per Knopfdruck den gewünschten Grad an Lichtdurchlässigkeit individuell einstellen.
Die Eigenschaft, sich selbst zu organisieren, ist es, was Kurth an den supramolekularen Funktionsmaterialien so fasziniert. „Die Moleküle sind ein wenig wie Lego-Bausteine. Sie lassen sich problemlos in jeder gewünschten Art und Weise zusammensetzen. Nur mit dem Unterschied, dass sich diese Bausteine von ganz alleine untereinander verbinden. Diese Materialien entstehen von selbst“, so der Chemiker. „Außerdem“, so sagt Kurth: „Da sich Molekül an Molekül lagert, gibt es eine Präzision von Millionstel Millimetern gleich dazu, dies entspricht in etwa den Dimensionen eines Moleküls. So entstehen maßgeschneiderte Materialien für die Produkte von morgen. “ Produkte, die sehr unterschiedliche Eigenschaften zeigen können: Fügt der Chemiker beispielsweise Metall-Ionen in das Molekülbad hinzu, können sie andere Farben annehmen, magnetisch werden und dergleichen mehr.
Eine internationale Karriere
Vor wenigen Wochen erst hat Dirk G. Kurth seinen Arbeitsplatz am Lehrstuhl für die Chemische Technologie der Materialsynthese am Röntgenring bezogen. Zuvor hatte ihn seine Ausbildung rund um den Globus geführt: Studium in Köln und Aachen. Diplomarbeit an der University of New Mexico in Albuquerque. Dort begann er auch mit der Promotion, die er an der Purdue University, West Lafayette, Indiana (USA) abschloss.
Zwischen 1994 und 1996 arbeitete er als Postdoktorand an der Université Louis Pasteur in Straßburg, ab 1996 war er Projektleiter am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam. Dort hat er eine Gruppe aufgebaut, die Struktur-Eigenschaftsbeziehungen von supramolekularen Funktionsmaterialien erforschte.
Im Jahre 2003 habilitierte Kurth an der Universität Potsdam in Physikalischer Chemie und war dort seit 2004 Privatdozent. 2004 wurde er außerdem zum jüngsten und ersten ausländischen Direktor des „National Institute of Materials Science“, Tsukuba, Japan ernannt.
In Würzburg wird sich Kurth neben seiner Forschung in der Lehre engagieren und am weiteren Auf- und Ausbau des Studiengangs „Technologie der Funktionswerkstoffe“ beteiligen. Er ist bereits jetzt Studiendekan für dieses Fach.
Kontakt: Prof. Dr. Dirk G. Kurth, T (0931) 31-2631, dirk.kurth@matsyn.uni-wuerzburg.de
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Weitere Informationen:
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