Krabbenschalen als Rohstoff für Chemikalien
Krabben, Krebse und Garnelen sind geschätzte Leckerbissen. Mehr als 750 000 Tonnen Schalen dieser Krebstiere landen allein in der EU pro Jahr auf dem Müll. Dabei könnten theoretisch auch die Schalen genutzt werden. Sie bestehen aus Chitin, einem auch in Insekten und Pilzen vorkommenden Biopolymer aus kettenartig aneinandergereihten, stickstoffhaltigen Zuckermolekülen.
In Asien beispielsweise wird aus Garnelenschalen bereits das Polymer Chitosan hergestellt, welches als Filter oder Folie, aber auch als Wundauflage Anwendung findet. Die Schalen der europäischen Krebstiere enthalten allerdings mehr Kalk, die Aufarbeitung zu Chitosan ist daher nicht wirtschaftlich.
In dem von der EU geförderten Projekt ChiBio wollen Forscher unter der Leitung der Straubinger Projektgruppe BioCat des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB neue Verfahren entwickeln, um die in großen Mengen als Abfall anfallenden Schalen auch hierzulande als Rohstoff für Chemikalien und neue Materialien zu erschließen. Das Konsortium mit Forschungs- und Industriepartnern aus Norwegen, Österreich, Tschechien, Irland sowie Tunesien und Indonesien setzt dabei auf einen ganzheitlichen und umfassenden Ansatz. »Nach Art einer Bioraffinerie für landwirtschaftliche Produkte wollen wir für den Abfall Krabbenschale verschiedene stoffliche und energetische Nutzungswege entwickeln oder optimieren – und so den Reststoff möglichst effizient und vollständig verwerten«, erläutert Prof. Dr. Volker Sieber, Koordinator von ChiBio und Leiter der Projektgruppe BioCat in Straubing.
Zunächst müssen die Reste des Krebsfleisches von den Schalen entfernt werden. »Diese Biomassereste, die aus Proteinen und Fetten bestehen, wollen wir so abtrennen, dass wir sie direkt vergären und energetisch nutzen können«, sagt Dr. Lars Wiemann, ChiBio-Projektleiter in Straubing. Das gereinigte Chitin kann dann mit Enzymen oder Mikroorganismen in seine monomeren Bausteine, den stickstoffhaltigen Zucker Glucosamin, gespalten werden. Am Fraunhofer IGB wurden bereits Chitinasen aus Bakterien isoliert, die diese Abspaltung katalysieren. »Eine große Herausforderung wird sein, Glucosamin zu solchen Grundbausteinen – oder Plattformchemikalien – umzusetzen, aus denen Chemiker verschiedene neue, biobasierte Polymere herstellen können«, erzählt Dr. Wiemann. Damit einzelne Monomere zu einem Polymer verknüpft werden können, benötigen diese mindestens zwei funktionelle Gruppen, die katalytisch miteinander verbunden werden können. »Hier wollen wir chemische Schritte mit biotechnologischen Verfahren kombinieren«, ergänzt Prof. Sieber. Alle in der Prozesskette anfallenden biobasierten Nebenprodukte sollen gemeinsam mit den anfänglich abgetrennten Proteinen und Fetten zu Biogas als regenerativem Energieträger vergoren werden.
Der EU-Forschungsantrag »ChiBio – Entwicklung einer integrierten Bioraffinerie für die Aufarbeitung von chitinhaltigen Abfällen zu Spezial- und Feinchemikalien« erhielt mit 14 von 15 möglichen Punkten das beste Ergebnis in der Ausschreibung »Neue biotechnologische Ansätze zur Umwandlung industrieller und/oder städtischer Abfälle in Bioprodukte«. Die Fördersumme von 3 Millionen Euro wird ab November 2011 für die Projektlaufzeit von drei Jahren bereitgestellt. Regionale Partner sind die Arbeitsgruppe Industrielle Biokatalyse von Prof. Dr. Thomas Brück an der TU München in Garching und die Süd-Chemie AG in Moosburg aus Bayern sowie das tschechische Unternehmen Apronex und das oberösterreichische Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz GmbH. Weiterhin sind beteiligt Letterkenny Institute of Technology (Letterkenny, Irland), Agricultural University of Norway (Oslo, Norwegen), Institut National des Sciences et Technologies de la Mer (Karthago, Tunesien), Earagail Eisc Teoranta (Carrick, Irland), Evonik Industries AG (Essen) und Biotech Surindo PT (Cirebon, Indonesien).
Die Projektgruppe BioCat ist Teil des Wissenschaftszentrums Straubing am Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe. Sie ist dem von Prof. Dr. Thomas Hirth geleiteten Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart zugeordnet und wird von Prof. Dr. Volker Sieber, Inhaber des Lehrstuhls für Chemie Biogener Rohstoffe der TU München, geleitet.
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