Knallbunt: Neue Riesenstabschrecken in Madagaskar entdeckt

Das Männchen von Achrioptera maroloko zeigt eine gelb-schwarze Warnfärbung. Foto: Frank Glaw (SNSB-ZSM)

Achrioptera manga ist ein echtes Juwel unter den Stabschrecken, riesengroß und mit knallbunten Männchen. Die wichtigste Überlebensregel für Stabschrecken ist eigentlich, sich für Fressfeinde unsichtbar zu machen, aber die farbenprächtigen Achrioptera-Männchen haben sich einfach darüber hinweggesetzt – und trotzdem überlebt.

Wofür diese Extravaganz nützlich ist und warum die auffälligen Männchen nicht schnell von Vögeln und anderen Tieren gefressen werden, bleibt vorerst ein Rätsel.

„Möglicherweise nehmen sie mit ihrer Blätternahrung Pflanzengifte auf, die sie in ihrem Körper einlagern und signalisieren mit ihrer Farbenpracht, dass sie nicht genießbar sind“ sagt Frank Glaw, Kurator an der Zoologischen Staatssammlung München. Für die Weibchen könnte die Tarnung trotzdem vorteilhafter sein als die Abschreckung von Fressfeinden.

„Wenn im Tierreich besonders bunte Männchen auftreten, dann liegt das oft daran, dass die Weibchen solche Männchen für die Paarung bevorzugen, aber ob diese Erklärung bei den hauptsächlich nachtaktiven Tieren zutrifft, wissen wir nicht.“ ergänzt sein Kollege und Heuschreckenexperte der ZSM Oliver Hawlitschek.

Auffällig ist jedenfalls, dass die Männchen ihre Farbenpracht erst entwickeln, nachdem sie erwachsen geworden sind. Bis zu ihrer letzten Larvenhäutung sehen sie aus wie ein brauner Zweig und sind tagsüber fast unsichtbar. Erst danach erfolgt innerhalb weniger Tage die erstaunliche Umfärbung zum farbenprächtigen Insekt.

Die Weibchen bleiben hingegen wie die meisten Stab- und Gespenstschrecken zeitlebens gut getarnt. „Mit dieser Strategie hat die Insektenordnung der Phasmiden seit Jahrmillionen überlebt, mehr als 3.000 Arten hervorgebracht und alle wärmeren Regionen der Erde besiedelt.“ erklärt Sven Bradler, Stabschreckenforscher an der Universität Göttingen.

„Unsere Daten lassen vermuten, dass es noch viele weitere neue und äußerlich ähnliche Arten gibt, die sich erst mit Hilfe der Genetik zuverlässig identifizieren lassen,“ ergänzt seine Kollegin Julia Goldberg.

Bisher wurde A. manga der äußerlich sehr ähnlichen Art Achrioptera fallax zugeordnet, die schon vor fast 160 Jahren beschrieben wurde. Aber erst vor ein paar Jahren entdeckten Forscher der Zoologischen Staatssammlung München grüne Stabschrecken, die der Erstbeschreibung von A. fallax genau entsprechen. Zusammen mit Kollegen der Universität Göttingen verglichen sie nun die grüne und blaue Form und fanden unter anderem deutliche genetische Unterschiede, die ihre artliche Verschiedenheit belegen.

Ähnlich verlief auch die Entdeckung der zweiten neuen Riesenstabschrecke Achrioptera maroloko, die bis zu 24 cm Körperlänge erreicht und bisher für A. spinosissima gehalten wurde. Beide Arten zeigen jedoch ebenfalls deutliche Unterschiede in der Männchenfärbung (gelb versus blau) und der Genetik.

Dr. Frank Glaw
SNSB – Zoologische Staatssammlung München
Münchhausenstraße 21, 81247 München
Tel.: 00261 344691632
E-Mail: glaw@snsb.de

Glaw, F., O. Hawlitschek, A. Dunz, J. Goldberg & S. Bradler (2019): When giant stick insects play with colors: Molecular phylogeny of the Achriopterini and description of two new splendid species (Phasmatodea: Achrioptera) from Madagascar. – Frontiers in Ecology and Evolution
doi: 10.3389/fevo.2019.00105

http://www.snsb.de – Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns
http://www.zsm.mwn.de – Zoologische Staatssammlung München

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Dr. Eva-Maria Natzer idw - Informationsdienst Wissenschaft

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