Immuntherapie: Warum Wächterzellen wichtig sind

Ein Teil der Milz während einer chronischen Virusinfektion. Dendritische Zellen sind grün, Killer-T-Zellen rot, B-Zellen blau und Stromazellen magenta dargestellt.
(c) Team Wolfgang Kastenmüller / Universität Würzburg

Wächterzellen des Immunsystems sind essentiell, um die Immunbalance im Körper zu steuern. Nun steht fest, dass sie auch eine wichtige Rolle bei Immuntherapien gegen Krebs und chronische Virusinfektionen spielen.

Chronische Virusinfektionen und Krebs können das Immunsystem dauerhaft beeinträchtigen: Beide Erkrankungen setzen die Fähigkeit der Killer-T-Zellen herab, Tumorzellen oder von Viren infizierte Zellen zu eliminieren. In der Medizin wird diese Beeinträchtigung als „Immunerschöpfung“ bezeichnet.

Die Immunerschöpfung lässt sich mit Medikamenten hemmen, mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren. Das hat sich bei einigen Krebsarten als sehr wirksam erwiesen. Doch diese Form der Immuntherapie funktioniert nicht immer. Außerdem kann sie schwere Nebenwirkungen verursachen.

Deutsch-australische Studie in Immunity

Bei den Prozessen, die zur Immunerschöpfung führen, treten die Wächterzellen des Immunsystems – die dendritischen Zellen – in eine enge Wechselwirkung mit Killer-T-Zellen. Diese Wechselwirkung wurde von einer deutsch-australischen Forschungsgruppe entdeckt und charakterisiert. Dadurch ist jetzt auch viel klarer, wie Checkpoint-Inhibitoren zur Wiederherstellung der Immunfunktion beitragen.

Die neuen Erkenntnisse stammen aus einer von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) geleiteten Studie, die in Zusammenarbeit mit dem Peter Doherty Institute for Infection and Immunity (Doherty Institute) in Melbourne, Australien, durchgeführt wurde. Die Ergebnisse sind im Journal Immunity publiziert.

Anspruchsvolle mikroskopische Verfahren eingesetzt

Professor Wolfgang Kastenmüller ist Seniorautor der Publikation, Direktor des JMU-Instituts für Systemimmunologie und Leiter der gleichnamigen Max-Planck-Forschungsgruppe: „Die meisten bisherigen Arbeiten über die Immunerschöpfung hatten sich auf die Killer-T-Zellen fokussiert, aber kaum auf deren Interaktionspartner. Unsere Resultate zeigen, dass die Checkpoint-Immuntherapie auf der Interaktionsebene zwischen den Killer-T-Zellen und dendritischen Zellen wirkt. Das haben wir mit anspruchsvollen mikroskopische Verfahren herausgefunden.“

Das Forschungsteam konnte zeigen, dass die dendritischen Zellen die Killer-T-Zellen genau in dem Maß aktivieren, dass es nicht zu einer überschießenden Immunreaktion kommt.

Diese Fähigkeit der dendritischen Zellen steht im Zusammenhang mit ihrem Aufenthalt in spezifischen anatomischen Nischen in lymphatischen Organen. Dort werden die Killer-T-Zellen in einem voraktivierten Zustand gehalten, der es ihnen ermöglicht, die Infektion im richtigen Moment und im richtigen Maß zu bekämpfen.

Folgen für die Erforschung von Virusinfektionen und Krebs

Wie Professor Sammy Bedoui aus Melbourne, Co-Seniorautor der Studie und Leiter der Immunologie am Doherty Institute, sagt, hat diese Entdeckung weitreichende Folgen für zukünftige Forschungen zur effektiven Bekämpfung von Virusinfektionen wie HIV, Hepatitis und möglicherweise auch COVID-19. Folgen habe das auch bei bestimmten Krebsarten der Haut, der Lunge und der Nieren.

„In Abwesenheit der dendritischen Zellen funktionieren die Checkpoint-Inhibitoren nicht mehr. Stattdessen kommt es zu einer unkontrollierten Aktivierung der Killer-T-Zellen, was zu einer überschießenden Entzündung und einer weiteren Beeinträchtigung des Immunsystem führt, die Infektion zu kontrollieren“, fasst Professor Bedoui die Studie zusammen.

Partner und Förderer

Die Studie wurde im gemeinsamen PhD-Programm der Universitäten Melbourne und Bonn initiiert. Abgeschlossen wurde das Projekt in einer Kooperation zwischen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und dem Doherty Institute der Universität Melbourne.

Gefördert wurden die Arbeiten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Europäischen Forschungsrat und der Max-Planck-Gesellschaft.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Wolfgang Kastenmüller, Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie, Institut für Systemimmunologie, Universität Würzburg, wolfgang.kastenmueller@uni-wuerzburg.de

Originalpublikation:

Dähling et al., Immunity 55, 1-15, April 12, 2022, doi: 10.1016/j.immuni.2022.03.006

http://www.uni-wuerzburg.de

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