Genetische Basis für eine neue Kulturpflanze

S. polyrhiza auf Nährmedium (links), Seitenansicht (mitte), und mitotische Chromosomen, von denen sechs Paare durch chromosomenspezifische Sonden markiert sind (rechts). Phuong Thi Nhu Hoang, IPK

Nicht nur Felder sind für den Anbau von Kulturpflanzen geeignet. Eine wachsende Weltbevölkerung und damit einhergehende knapper werdende Ressourcen verlangen neue Ansätze bei der Erzeugung von Nahrung, Futter und Rohstoffen.

Aquatische Systeme bieten Möglichkeiten für schwimmende Kulturen, auch in Kombination mit der Fischzucht. Wasserlinsen (Lemnaceae) sind weltweit verbreitet, produktiv und vielseitig nutzbar. Zudem ist die Pflanze ein beliebtes Objekt in der biologischen Grundlagenforschung.

Noch vor wenigen Jahren galten die zu den Einkeimblättrigen gehörenden Wasserlinsen mit 5 Gattungen (neben Spirodela sind dies Lemna, Landoltia, Wolffia und Wolffiella) und den bisher bekannten 37 Arten als wenig untersuchte Exoten. Inzwischen hat die aquatische Familie ökonomisches und wissenschaftliches Interesse geweckt. Gründe sind nicht nur ihr schnelles Wachstum und eine leichte Erntbarkeit.

Vor allem der hohe Protein- und Stärkegehalt und die ernährungsphysiologisch ausgewogene Qualität der Eiweiße machen Wasserlinsen für die Ernährung von Fischen, Geflügel, Schweinen und Wiederkäuern interessant. Sogar in der menschlichen Ernährung, sei es für traditionelle Gerichte wie Khai Nam („Eggs of the Water“) oder als Lifestyle Produkt in grünen Smoothies; Wasserlinsen spielen eine zunehmende Rolle.

In der Umwelttechnologie werden Wasserlinsen zur Reinigung von Abwasser bei der biologischen Entfernung von Nitraten, Phosphaten und Schwermetallen und zur anschließenden Biokraftstofferzeugung genutzt. Aber auch als „Bioreaktoren“ zur Herstellung pharmazeutischer und technischer Produkte können die kleinen Pflanzen eingesetzt werden.

Für die Forschung sind neben den schnellen Generationszeiten auch die genetische Transformierbarkeit einiger Arten wichtige Voraussetzungen. Wissenschaftlich interessant sind zudem die Beobachtungen, dass die evolutionär jüngeren Gattungen sich durch eine zunehmende Neotänie – die Reduktion von Organen – auszeichnen. Aber auch die höhere Artenvielfalt und die Zunahme der Genomgröße bei gleichzeitig abnehmender Organismengröße sind für Biologen spannende Fragen. Die genetischen Ursachen dieser Phänomene sind noch völlig unbekannt. Zur Beantwortung fehlten verlässliche genetische Karten, bis jetzt.

Das erste Wasserlinsengenom für die evolutionär ursprüngliche, weitgehend asexuelle Art Spirodela polyrhiza (vielwurzlige Teichlinse) wurde von einem internationalen Konsortium unter Leitung von Wissenschaftlern der Rutgers University 2014 veröffentlicht (Wang et al. Nature Communications). Wissenschaftler des IPK Gatersleben konnten mit einer speziellen Variante der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung die assemblierten „Pseudomoleküle“ auf Korrektheit prüfen und den 20 Chromosomen der Art zuordnen (Cao et al. New Phytologist, 2016).

Die optische Kartierung der Genomsequenz einer anderen Herkunft der gleichen Art ergab jedoch erhebliche Unterschiede. Nur noch ein Chromosom war zwischen den beiden veröffentlichten Karten identisch (Michael et al. Plant Journal, 2017).

In Zusammenarbeit beider Gruppen konnten mit dem cytogenomischen Ansatz (IPK) und den neuen, mit Hilfe von Oxford Nanopore Technology gewonnen Sequenzierungsdaten (Craig-Venter-Institute und Rutgers University) alle Diskrepanzen aufgelöst werden. Chromosomale Untersuchungen an Klonen sieben verschiedener Herkünfte ergaben keinen Hinweis auf Unterschiede in der Genomstruktur. Unter Beibehaltung der Chromosomen-Nomenklatur von Cao et al. (2016) konnte auf dieser Basis eine robuste Karte für das Genom der vielwurzligen Teichlinse erstellt werden (Hoang et al. Plant Journal 2018).

Wichtig für die erfolgreiche Bearbeitung der Wasserlinsengenome war die gleichzeitige Anwendung mehrerer unabhängiger experimenteller Ansätze. Die in-situ-Hybridisierung hat sich als besonders wertvoll erwiesen. Nur diese Methode erlaubt eine direkte mikroskopische Überprüfung der Assemblierungsaussagen.

Sogar wenn, wie im Falle asexueller Arten, keine genetischen Karten als Referenz zur Verfügung stehen, ist so eine Verankerung der genomischen Bereiche auf den Chromosomen möglich. Diese Karte dient nun als Referenz für die Untersuchung anderer Wasserlinsengenome.

Prof. Dr. Ingo Schubert, IPK
Abt. Züchtungsforschung | Ag Quantitative Genetik
Tel. +49 039482 5239
E-Mail: schubert@ipk-gatersleben.de

“Generating a high-confidence reference genome map of the Greater Duckweed by integration of cytogenomic, optical mapping, and Oxford Nanopore technologies”, Phuong N.T. Hoang et al.; The Plant Journal (2018) 96, 670–684.

http://www.ipk-gatersleben.de/zuechtungsforschung/

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