Fettstoffwechsel: Forschungsrätsel gelöst

Ohne Fett läuft in unserem Körper gar nichts. Fette (Lipide) liefern uns Energie, bilden die Schutzhülle unserer Zellen und steuern viele lebenswichtige Funktionen.

Eine langjährige, international als wichtig erachtete, Forschungslücke in diesem komplexen biochemischen Puzzle schließt nun ein Team aus Österreich. Die Gruppe von Prof. Ernst Werner am Biozentrum Innsbruck identifizierte die genetische Sequenz eines Schlüssel-Enzyms in der bisher wenig erforschten Fett-Klasse der „Ether-Lipide“. Die renommierte Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“ berichtet darüber in ihrer Internet-Vorabausgabe.

„Mit der Innsbrucker Entdeckung kann dieses Enzym, also Protein, nun in die nahezu bereits vollständigen Genome von Mensch und Säugetier eingeordnet werden. Geschlossen wird damit nicht nur eine Lücke im Verständnis unseres Fettstoffwechsels, sondern auch eine Lücke im Verständnis unseres genetischen Bauplans“, sagt Werner. Ether-Lipide haben eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Nervensystems, der Reifung von Spermien und im Schutz des Auges vor Trübungen (Katarakt). Sie sind auch als Signalmoleküle und Membranbestandteile bedeutend. Seit fast 50 Jahren war jene biochemische Reaktion bekannt, die die Ether-Lipide in die für die Zellen lebenswichtigen Fettsäuren umwandelt. Unbekannt war allerdings die genetische Sequenz der „Alkylglycerol-Monooxygenase“. Das ist jenes Enzym, das als Biokatalysator diese Fette im Körper gemeinsam mit dem Co-Faktor Tetrahydrobiopterin in Glycerol und den entsprechenden Aldehyd spaltet.

Detektivarbeit im Fettstoffwechsel

Die Nachwuchsforscherin Dr. Katrin Watschinger (31) vom Forschungsteam von Univ.-Prof. Dr. Ernst Werner an der Sektion für Biologische Chemie am Biozentrum der Medizinischen Universität Innsbruck (Direktor: Univ.-Prof. Dr. Lukas Huber) konnte nun die zugehörige Nukleotid und Protein-Sequenz dieser Enzymreaktion auf Basis minutiöser Feinarbeit im Labor in einem eigens entwickelten Zellkulturmodell identifizieren. An der Lösung dieses rund 50 Jahre alten Forschungsrätsels hatte Werners Team seit langen Jahren gearbeitet. Gefördert wurden diese Forschungen vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF).

Ether-Lipide, zu denen auch die Alkylglycerole zählen, sind in unserem Körper weit verbreitet. Im Gegensatz zu den Triglyzeriden, dem Energiespeicher unseres Körpers, sind sie wenig erforscht. Sie unterscheiden sich von Triglyzeriden, bei denen drei Fettsäuren an das Glyzerin gebunden sind, durch die Art der Bindung des ersten Restes an das Glyzeringerüst. Bei den Ether-Lipiden ist eine der Acylketten (Acylrest) durch einen langkettigen Alkohol ersetzt, der über eine Etherbindung anstelle einer Esterbindung an das Glycerin gebunden ist. Das Innsbrucker Ergebnis gilt als wichtiger Baustein für das Verständnis des menschlichen Fettstoffwechsels. Die Alkylglycerol-Monooxygenase könnte laut Werner „eine grundsätzliche physiologische Funktion haben“. Ziel weiterer Forschungen ist es, die Biochemie, die physiologische Rolle und die Zuordnung dieses Enzyms zu bisher beobachteten, aber molekular noch nicht erklärbaren Krankheitsassoziationen, wie z. B. genetischen Störungen im Fettstoffwechsel, im Detail zu klären.

Pionierarbeit aus Innsbruck

Insbesondere die Alkylglycerole sind wissenschaftliches Neuland. Ihre genaue Rolle in unserem Körper ist ein „Hot topic“ der internationalen Forschung. Die Substanz Tetrahydrobiopterin ist die einzige, die Alkylglycerole als Co-Faktor gemeinsam mit der Alkylglycerol-Monooxygenase spalten kann. Tetrahydrobiopterin ist eine den Vitaminen Folsäure und Riboflavin ähnliche Verbindung, die Säugetiere, der Mensch eingeschlossen, biosynthetisch herstellen können. Das Team rund um Prof. Werner ist eine weniger Gruppen weltweit, die sich mit jenen speziellen Enzymen beschäftigen, die den Co-Faktor Tetrahydrobiopterin für Stoffwechselvorgänge benötigen. Dies liefert nicht nur wichtige Erkenntnisse für das grundsätzliche Verständnis lebenswichtiger Vorgänge in unserem Körper, sondern auch neue Ansatzpunkte zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen.

Stichwort

Forschungslücken im Fettstoffwechsel

Fette sind für unseren Körper lebenswichtig. Die Ergründung ihrer genauen Rolle ist Gegenstand internationaler medizinischer Forschung. Als ein bisheriges Resultat des im weltweiten Forschungsverbund durchgeführten Humangenomprojektes, ist bekannt, dass tausende Bausteine unserer Erbsubstanz, der menschlichen DNA, für Proteine codieren, damit auch in unserem Fettstoffwechsel eine wichtige Rolle spielen. Die genauen biochemischen Reaktionen dazu werden erst ergründet. Zweites Areal des wissenschaftlichen Neulandes sind hunderte bisher bekannte Enzymreaktionen. Hier ist zwar die jeweilige Reaktion bekannt, nicht aber die zugehörige Nukleotid und Protein- Sequenz, damit jener Gen-Abschnitte, der den jeweils spezifischen Vorgang in unserem Körper dirigiert. Eine der Forschungslücken in diesem Feld hat das Innsbrucker Team nun geschlossen.

Publikation:

Identification of the gene encoding alkylglycerol monooxygenase defines a third class of tetrahydrobiopterin-dependent enzymes. Katrin Watschinger, Markus A. Keller, Georg Golderer, Martin Hermann, Manuel Maglione, Bettina Sarg, Herbert H. Lindner, Albin Hermetter, Gabriele Werner-Felmayer, Robert Konrat, Nicolas Hulo, Ernst R. Werner, Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), PNAS 2010 Early Online Edition.

Kontakt:

Prof. Ernst R. Werner

Medizinische Universität Innsbruck
Biozentrum Innsbruck
Sektion für Biologische Chemie
Fritz-Pregl-Str. 3, A-6020 Innsbruck
Tel.: +43/512/9003 – 70340
Email: ernst.r.werner@i-med.ac.at
Mag. Gabriele Rampl
Public Relations Prof. Ernst R. Werner
Kurzgasse 3/10, A-1060 Wien
Telefon: +43(0)650/2763351
Email: office@scinews.at
Web: http://www.scinews.at

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