Wie entsteht eine Qualle?

Die Aurelia Polypen (rechts unten) verwandeln sich alljährlich in einem Metamorphose-ähnlichen Prozess (Mitte) unter Einwirkung eines kleinen Eiweißmoleküls in junge Ohrenquallen (oben). <br>Foto & Copyright: Friederike Anton-Erxleben / CAU<br>

Wie entstehen Quallen? Warum treten Quallen nur im Sommer und Herbst in großer Zahl auf? Und welche Mechanismen steuern die Umwandlung von festsitzenden Polypen in freischwimmende Quallen?

Forscherinnen und Forscher um den Zoologen Dr. Konstantin Khalturin, aus der Arbeitsgruppe von Professor Thomas Bosch an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, beschäftigen sich genau mit diesen Fragen.

Sie haben am Beispiel der auch in der Ostsee heimischen Ohrenqualle Aurelia aurita die Umwandlung von Polypen zu Quallen untersucht. Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierte zell- und molekularbiologische Studie ist heute, 16. Januar, in der Online-Ausgabe des Fachjournals „Current Biology” erschienen. Die im Februar folgende Printversion berichtet über die Ergebnisse als Titelstory.

Die Studie macht deutlich, dass bei der Umwandlung von Polypen zu Quallen drei Faktoren eine Schlüsselrolle spielen: „Neben einem Hormonrezeptor sind diese Faktoren ein kleines, bislang völlig unbekanntes Eiweißmolekül sowie die Temperatur des Wassers“, erklärt Bosch die Ergebnisse der Studie.

Sinkt die Meerwassertemperatur im Winter ab, wird das Molekül CL390 aktiv und regt im Polypen im Verlauf der letzten Winterwochen den Metamorphose-ähnlichen Prozess an. Junge Quallen gibt es daher in norddeutschen Gewässern nur im Frühjahr. Der Forschungsgruppe gelang es, das Molekül mit einem genetischen Trick auszuschalten. Polypen sind dann nur noch sehr vermindert in der Lage, sich in Quallen umzuwandeln.

Wenn Dr. Khalturin und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Aurelia Polypen hingegen mit synthetisch hergestellten CL390 Molekülen behandelten, wurde die Quallenbildung deutlich angeregt. Die Kieler Studie entschlüsselt daher nicht nur den Mechanismus, der hinter der Umwandlung vom Polypen in die Qualle steckt. Die Studie zeigt auch, dass über eine Blockierung des CL390 dem mancherorts massenhaften Auftreten von Quallen entgegenwirken könnte.

Weitere Informationen:
Während es sich bei dem Hormonrezeptor um ein dem Retinsäurerezeptor RXR der Wirbeltiere verwandtes Membranmolekül handelt, ist das bislang unbekannte CL390 ein sezerniertes Molekül, welches eine gewisse Ähnlichkeit zu Indol – und Tryptophan Derivaten besitzt und in temperaturabhängiger Weise den Umwandlungsprozess aktiviert.

Originalpublikation: Current Biology 24, 1–11, February 3, 2014 Elsevier Ltd All rights reserved http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2013.12.003
Bjorn Fuchs, Wei Wang, Simon Graspeuntner, Yizhu Li, Santiago Insua, Eva-Maria Herbst, Philipp Dirksen, Anna-Marei Böhm, Georg Hemmrich, Felix Sommer, Tomislav Domazet-Loso, Ulrich C. Klostermeier, Friederike Anton-Erxleben, Philip Rosenstiel, Thomas C.G. Bosch, and Konstantin Khalturin. Regulation of polyp-to-jellyfish transition in Aurelia aurita. Current Biology 24, 1–11.

Kontakt:
Prof. Dr. Dr. Thomas Bosch
Zoologisches Institut
Tel.: +49 431/ 880-4170
E-Mail: tbosch@zoologie.uni-kiel.de

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Presse, Kommunikation und Marketing, Dr. Boris Pawlowski, Text: Sebastian Maas
Postanschrift: D-24098 Kiel, Telefon: (0431) 880-2104, Telefax: (0431) 880-1355
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