Die Immunabwehr gegen Pilzinfektionen ausrichten

Molekül nutzt Pilz-Chitin um den Eindringling zu erkennen und zu vernichten. (c) Wiley-VCH
Pilzerkrankungen stellen ein zunehmendes Gesundheitsrisiko dar, besonders bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem. In der Zeitschrift Angewandte Chemie schreiben nun amerikanische Wissenschaftler, wie ein kleines immuntherapeutisches Molekül mit einem neuartigen Wirkmechanismus helfen könnte:
Die Verbindung erkennt und bindet Chitin, das in der Zellwand von Pilzen, nicht aber im menschlichen Organismus vorkommt, und rekrutiert gleichzeitig natürliche Antikörper des menschlichen Immunsystems. Durch diese Kopplung bringt sie Immunabwehr dazu, den Eindringling zu erkennen und zu vernichten.
Die Zellwand von Pilzen bietet sich für die Entwicklung von neuen Arzneistoffen gegen Pilzerkrankungen an, weil viele ihrer Inhaltstoffe im menschlichen Körper nicht vorkommen und sie sich dadurch zielgerichtet markieren und möglicherweise vom Immunsystem zerstören lassen.
Daher entwickelt das Forschungsteam von David Spiegel an der Yale University (USA) Moleküle, die in einer zweifachen Funktionalität den Pilzeindringling erkennen und Antikörper rekrutieren können.
Um solche Antikörper rekrutierenden, auf Pilze ausgerichteten Moleküle (ARM-F) herzustellen, modifizierten die Wissenschaftler Calcofluor-Weiß, ein bekanntes Anfärbemittel für Chitin in der Zellwand von Pilzen. Das Calcofluor-Weiß verknüpften sie mit einer Dinitrophenyl(DNP)-Einheit.
Das DNP wird von im menschlichen Blut natürlich vorkommenden anti-DNP-Antikörpern erkannt. Der daraus hervorgehende Molekülkomplex aus Chitin, ARM-F und anti-DNP-Antikörpern stimuliert die Effektorzellen des Immunsystems, die daraufhin die Vernichtung der Pilzzellen durch Phagozytose einleiten.
Das Team zeigte, wie im Labormodell unterschiedliche Mengen ARM-F den Hefepilz Candida albicans erkannte und gleichzeitig anti-DNP-Antikörper zur Aktivierung des Immunsystems rekrutierte. Die ARM-F-Bindung selbst verringert die Lebensfähigkeit der Hefezellen nicht, erst die Phagozytose durch das Immunsystem.
Zusätzlich ergab sich ein synergistischer Effekt mit dem bekannten Antimykotikum Caspofungin, das zur Klasse der Echinocandine gehört. Echinocandin-resistente Pilze synthetisieren verstärkt Chitin zur Reparatur ihrer Zellwand. Wegen dieser erhöhten Chitinproduktion verstärkt sich aber auch die Wirksamkeit von ARM-F. Erste Laborversuche bestätigten eine erhöhte Phagozytose der Candida-Zellen durch humane Effektorzellen des Immunsystems mit ARM-F.
Weil ARM-F Chitin spezifisch erkennt und bindet, eignet sich diese Substanz besonders für die Bekämpfung von Echinocandin-resistenten Pilzen und eine Reihe von weiteren pathogenen Fungi. Auf dem neuen Wirkmechanismus der ARM-F-Moleküle könnten neue Arzneistoffe gegen Pilzinfektionen aufbauen. Sowohl Einzel- als auch Kombinationstherapien mit existierenden Pilzmitteln wären möglich.
Angewandte Chemie: Presseinfo 39/2017
Autor: David Spiegel, Yale University (USA), http://spiegellab.yale.edu/
Link zum Originalbeitrag: https://doi.org/10.1002/ange.201707536
Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge

Wohnen der Zukunft
Architekturprojekt der Hochschule Koblenz erhält Förderung für innovative Wohnkonzepte. Ein studentisches Architekturprojekt der Hochschule Koblenz hat eine Förderung in Höhe von 156.000 EUR vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und…

Geheimnisse der galaktischen Ausströmungen
Bahnbrechende Studie enthüllt Geheimnisse der galaktischen Ausströmungen. Galaxien geben unter Umständen enorme Materiemengen an ihre Umgebungen ab, ausgelöst durch eine Vielzahl von Explosionen massereicher Sterne. Mit dem MUSE-Instrument am Very…

Mit Schallwellen durchs Gehirn
Forschende haben erstmals gezeigt, dass sich Mikrovehikel über Ultraschall durch die Blutgefässe des Gehirns von Mäusen steuern lassen. Dies soll dereinst neue Therapien ermöglichen, mit denen punktgenau Medikamente verabreicht werden….