Der Braunfärbung von Algen auf der Spur

Für die braune Farbe von Kieselalgen und Dinoflagellaten sind die Lichtsammelcarotinoide Fucoxanthin beziehungsweise Peridinin verantwortlich, welche die absorbierte Lichtenergie zur fotosynthetischen Nutzung auf Chlorophylle übertragen. Foto/©: Martin Lohr

Algen sind vielen Menschen nur als geruchsbelästigende Verunreinigung am Urlaubsstrand oder als ungebetene Gäste in Gartenteich und Aquarium bekannt.

Weit wichtiger ist jedoch die Bedeutung dieser meist mikroskopisch kleinen Wasserbewohner für unser globales Klimageschehen und für die Ernährung der Fischbestände in den Weltmeeren.

So wandeln die marinen Algen durch ihre Fotosyntheseaktivität jährlich etwa genauso viel Kohlendioxid in Biomasse um wie die Gesamtheit aller Landpflanzen. Diese Algenbiomasse dient letztlich der Ernährung allen tierischen Lebens in den Meeren.

Um die Energie des Sonnenlichts für Fotosynthese nutzen zu können, müssen Pflanzen das Licht zunächst durch sogenannte Lichtsammelpigmente aufnehmen. In Landpflanzen geschieht dies vornehmlich durch die Chlorophylle, die den Blättern ihre typische Grünfärbung verleihen.

Im Gegensatz zu den grünen Landpflanzen weisen viele Algen eine bräunliche Farbe auf. Die für diese Färbung verantwortlichen Pigmente gehören zur Gruppe der Carotinoide, die unter anderem für den Sehvorgang im menschlichen Auge eine wichtige Rolle spielen.

Durch sie können Algen auch das unter Wasser oft dominierende grüne Licht sehr effizient aufnehmen und haben dadurch mehr Energie für die fotosynthetische Produktion von Biomasse zur Verfügung.

Das von den meisten Meeresalgen als Lichtsammelpigment verwendete Fucoxanthin gehört zu den weltweit am häufigsten vorkommenden Carotinoiden, doch ist bis heute unklar, wie die Algen dieses Pigment synthetisieren.

Erster Schritt der Fucoxanthin-Biosynthese entschlüsselt

Forscherinnen und Forscher am Fachbereich Biologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben nun in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der Universität von Kalifornien, Berkeley, den ersten Schritt in der Fucoxanthin-Biosynthese entschlüsselt. Interessanterweise ist das für diesen Syntheseschritt verantwortliche Enzym eng verwandt mit einem bereits gut untersuchten Enzym namens Violaxanthin-Deepoxidase, das in Landpflanzen und den meisten Algen vorkommt und unter Starklichtstress die Bildung von Lichtschutz-Carotinoiden bewirkt.

„Wir können davon ausgehen, dass Carotinoide in fotosynthetisch aktiven Organismen ursprünglich nur als Lichtschutzpigmente gedient haben“, erklärt Dr. Martin Lohr, der Leiter dieses Forschungsprojektes. „Wie unsere Arbeiten zeigen, haben Algen aus dem für die Bildung dieser Carotinoide erforderlichen Enzym-Werkzeugkasten einzelne Werkzeuge dupliziert und für eine der Kopien eine neue Funktion entwickelt. Dadurch konnten sie komplexer aufgebaute Pigmente mit veränderten Absorptionseigenschaften bilden, die sich offensichtlich besonders gut als Lichtsammelpigmente eignen.“

Schon vor über zehn Jahren fand die Arbeitsgruppe von Martin Lohr erste Hinweise für die Rolle des neuen Enzyms namens Violaxanthin-Deepoxidase-Like, kurz VDL, das nur in Algen vorkommt. Doch erst die Etablierung neuer Techniken zur Untersuchung der VDL-Funktion in Tabakpflanzen durch den Erstautor der Studie, Dr. Oliver Dautermann, ermöglichte ihm und weiteren Koautoren aus der AG Lohr die vergleichende Charakterisierung von VDL-Proteinen aus unterschiedlichen Algen.

Diese Arbeiten konnten die zentrale Rolle des Enzyms VDL bei der Biosynthese von Fucoxanthin und anderen Lichtsammelcarotinoiden in Algen wie beispielsweise Peridinin in Dinoflagellaten bestätigen. Allerdings fehlte noch der Nachweis, dass VDL in Algen tatsächlich die gleiche katalytische Funktion zeigt wie in den Tabakpflanzen.

Diesen Beleg lieferten schließlich zwei Postdocs aus der AG von Prof. Dr. Kris Niyogi an der Universität von Kalifornien, Berkeley, die eine Alge mit defektem VDL-Gen isolieren konnten. Pigmentanalysen beider Labors bestätigten, dass die Carotinoidbiosynthese in dieser Algenmutante an der Stelle des Pigmentes Violaxanthin abbricht.

Für Oliver Dautermann hat diese Kooperation gleich in zweifacher Hinsicht Früchte getragen, denn er arbeitet inzwischen ebenfalls als Postdoc im Labor von Kris Niyogi.

Ob sich die Fähigkeit zur Bildung von Fucoxanthin einmal auf Nutzpflanzen übertragen lässt und ob dies tatsächlich zu Ertragssteigerungen führen könnte, ist momentan allerdings nicht absehbar. Aktuelle Ergebnisse der AG Lohr in Kooperation mit anderen Partnern aus Amerika sprechen nämlich dafür, dass der Fucoxanthin-Biosyntheseweg in vielen Algen komplizierter ist als bisher angenommen. Somit wird die Braunfärbung von Blättern zunächst weiterhin auf den Herbst beschränkt sein.

Bildmaterial:
https://download.uni-mainz.de/presse/10_imp_pflanzen_algen_enzym_01.jpg
Die Braunfärbung vieler Algen wird durch spezielle Fotosynthesecarotinoide hervorgerufen.
Foto/©: Martin Lohr

https://download.uni-mainz.de/presse/10_imp_pflanzen_algen_enzym_02.jpg
Für die braune Farbe von Kieselalgen und Dinoflagellaten sind die Lichtsammelcarotinoide Fucoxanthin beziehungsweise Peridinin verantwortlich, welche die absorbierte Lichtenergie zur fotosynthetischen Nutzung auf Chlorophylle übertragen.
Foto/©: Martin Lohr

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Zwei Zellen der Kieselalge Phaeodactylum tricornutum, deren Plastiden durch die Rotfluoreszenz der darin enthaltenen Fotosynthesepigmente (Chlorophylle) erkennbar sind.
Foto/©: Christof Rickert & Martin Lohr

Dr. Martin Lohr
Molekulare Pflanzenwissenschaften / Pflanzenbiochemie
Institut für Molekulare Physiologie (IMP)
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-24201
E-Mail: lohr@uni-mainz.de
https://www.blogs.uni-mainz.de/fb10-plant-biochemistry/ag-lohr-algal-pigments/

Oliver Dautermann et al.
An algal enzyme required for biosynthesis of the most abundant marine carotenoids
Science Advances, 4. März 2020
DOI: 10.1126/sciadv.aaw9183
https://advances.sciencemag.org/content/6/10/eaaw9183.full

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Petra Giegerich idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

https://www.uni-mainz.de/

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