Darmmikrobiota – Kleine Helfer gegen Salmonellen
Standen für die Wissenschaftler früher bei Infektionen überwiegend die direkten Interaktion des Immunsystems mit Pathogenen im Mittelpunkt, so rücken heute vermehrt die Wechselwirkungen zwischen Mikrobiota, Immunsystem und Pathogen ins Visier. Forschern des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) gelang es nun, in Mausmodellen einen Zusammenhang zwischen verschiedenen zusammengesetzten Darmmikrobiomen und der Empfindlichkeit gegenüber Salmonelleninfektionen zu verstehen.
Die Studie der Braunschweiger Wissenschaftler konnte einige Bakterienfamilien identifizieren, die eine Schutzwirkung gegen Salmonellen aufweisen. Zusätzlich deckten die Forscher einen Immunmechanismus in der Darmschleimhaut auf, der durch die schützenden Bakterienfamilien reguliert wird. Die Ergebnisse der Studie der HZI-Wissenschaftler sind im Fachjournal Cell Host & Microbe veröffentlicht worden und stellen einen wichtigen Schritt im Verständnis des Dreieckspiels zwischen Mikrobiota, Immunsystem und Pathogen dar.
Milliarden von Mikroorganismen besiedeln die Körperoberflächen des Menschen und sind seine ständigen hilfsbereiten Wegbegleiter. Die Zusammensetzung der sogenannten Mikrobiota, der Gesamtheit der Mikroorganismen die den Darm von Menschen und Tieren besiedeln, variiert sehr stark zwischen Individuen. Neben genetischen Faktoren sind auch Umwelteinflüsse – wie zum Beispiel die Ernährung – Gründe für diese Diversität. Die Variabilität der Mikrobiota wird seit einigen Jahren auch mit der unterschiedlichen Empfindlichkeit von Menschen gegenüber Darminfektionen in Verbindung gebracht.
„Die Mikrobiota ist in den letzten Jahren ein immer wichtigerer Aspekt für die Erforschung von Darmerkrankungen geworden. Es bekämpft Pathogene auf mehrere Weisen: Einerseits konkurriert es mit den Krankheitserregern um Nährstoffe und verhindert so die Besiedlung des Wirts. Andererseits kann der Schutz gegenüber Erregern auch indirekt über das Einleiten einer schützenden Immunantwort des Wirtes erfolgen“, sagt Dr. Till Strowig, Leiter der HZI-Nachwuchsgruppe Mikrobielle Immunregulation. „In der Studie sind wir der Fragestellung nachgegangen, inwieweit das Mikrobiom Einfluss auf den Schutz gegenüber einer Infektion mit Salmonellen nimmt.“
Mithilfe eines Mausmodells identifizierten die Forscher die Bakterien der Mikrobiota, welche am Schutz gegen eine Salmonelleninfektion beteiligt sind. Hierfür infizierten sie genetisch identische Mauslinien, die sich nur in der Zusammensetzung der Mikrobiota unterschieden, mit Salmonellen. Im Verlauf der Infektion wurden die Gewichtsverluste sowie die Überlebensrate der Mäuse dokumentiert, so dass am Ende des Versuches sowohl die empfindlichste Mauslinie als auch die resistenteste Mauslinie gefunden werden konnte.
Mit modernsten Hochdurchsatz-Sequenziermethoden untersuchten die Forscher zudem die genauen Unterschiede in den mikrobiellen Gemeinschaften der Mauslinien. Vor allem die Anzahl bestimmter Bakterienfamilien (Prevotallaceae und Verrucomicrobiaceae) war in der resistenten Mauslinie deutlich höher als in der empfindlichen Mauslinie.
Basierend auf dieser Erkenntnis transplantierten die Forscher einige dieser Bakterienstämme in empfindliche Mäuse. Die Mäuse zeigten daraufhin einen deutlich erhöhten Schutz gegenüber Salmonellen. „Dieser Versuch bestätigt, dass die bakterielle Zusammensetzung der Darmmikrobiota eine wichtige Rolle beim Schutz gegenüber Salmonelleninfektionen spielt. Wir konnten zugleich die schützenden Bakterienfamilien identifizieren“, sagt Strowig.
Des Weiteren konnte die Arbeitsgruppe den Schutzmechanismus durch die Bakterien aufklären. Bereits durch vorangegangene Studien anderer Wissenschaftler war bekannt, dass bei der Immunantwort gegen Salmonellen antimikrobielle Wirkstoffe und Zytokine – Proteine, die das Wachstum und die Funktion von Zielzellen beeinflussen – in einer frühen Phase der Immunantwort gebildet werden.
Mit den schützenden Bakterienfamilien versetzt, produzierten die Mäuse vermehrt das Zytokin Interferon-Gamma (IFNγ). Dieses Protein spielt eine kritische Rolle bei der Initiierung von Immunantworten gegen bakterielle Erreger.
Bereits vor der Salmonelleninfektion bemerkten die Wissenschaftler eine starke Steigerung des Potentials zur IFNγ-Produktion durch Zellen des angeborenen Immunsystems – den angeborenen Lymphozyten – und des erworbenen Immunsystems, den sogenannten T-Zellen. Diese Zellen produzierten auch nach der Infektion erhöhte Mengen an IFNγ. „Um auszuschließen, dass nicht andere Faktoren für die erhöhte Resistenz gegen Salmonellen verantwortlich sind, unterdrückten wir in einem weiteren Versuch die IFNγ-Produktion durch die Verwendung von Tierlinien, die das Interferon nicht produzieren können. Auch bei Zugabe des schützenden Bakteriencocktails konnte bei diesem Versuch kein erhöhter Schutz erzeugt werden“, sagt Strowig.
Anders als die Forscher erwarteten, werden die Salmonellen nicht nur im Darminnenraum bekämpft. Im untersuchten Fall wehrt der Körper die Erreger auch im Gewebe der Darmschleimhaut ab, in welches Salmonellen zur Infektion eindringen müssen. „Die größte Überraschung an unseren Ergebnissen war nicht, dass ein Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung der Darmmikrobiota und dem Krankheitsverlauf besteht, sondern der Mechanismus dahinter“, sagt Strowig.
In weiterführenden Studien soll nun herausgefunden werden, welche der beiden Immunzellarten – T-Zellen oder angeborene Lymphozyten – wichtiger für die Antwort des Immunsystems der Darmschleimhaut sind. Die vorgestellte Studie wurde in Zusammenarbeit mit Richard A. Flavell und Andrew L. Goodman (beide Yale University, USA) sowie Marc Erhardt (HZI), Ulrich Kalinke (Twincore) und André Bleich (MHH) als lokale Partner durchgeführt.
Originalpublikation:
Sophie Thiemann, Nathiana Smit, Urmi Roy, Till Robin Lesker, Eric J.C., Gálvez, Julia Helmecke, Marijana Basic, Andre Bleich, Andrew L. Goodman, Ulrich Kalinke, Richard A. Flavell, Marc Erhardt, Till Strowig: Enhancement of IFNγ production by distinct commensals ameliorates Salmonella induced disease. Cell Host & Microbe, 2017, DOI: http://doi.org/10.1016/j.chom.2017.05.005
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Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionen und ihrer Abwehr. Was Bakterien oder Viren zu Krankheitserregern macht: Das zu verstehen soll den Schlüssel zur Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe liefern. www.helmholtz-hzi.de
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