Im Darm der Venus-Fliegenfalle: Neues zur Verdauung

Die fleischfressende Venus-Fliegenfalle beißt mit ihren tellerfallenartig geformten Blättern zu. Dabei wird der Mund erst zum „grünen Magen“ und dann zum Darm. Bild: Christian Wiese<br>

Stickstoff ist für Pflanzen ein Hauptnährstoff. In der Regel ziehen sie ihn in Form von Nitrat und Ammonium aus dem Boden, transportieren ihn in Wurzeln und Blätter und nutzen ihn dann zur Produktion von Proteinen.

Was aber, wenn der Boden wenig oder keinen Stickstoff hergibt? An solche nährstoffarmen Standorte hat sich die fleischfressende Venus-Fliegenfalle (Dionaea muscipula) angepasst, die in einigen Moorgebieten Nordamerikas zu Hause ist. Dort kann sie nur überleben, weil sie sich auf Tiere als Zusatznahrung spezialisiert hat.

So erlegt Dionaea ihre Beute

Ihre Beute schnappt sich Dionaea mit Blättern, die zu Klappfallen umgebildet sind: Berühren Insekten spezielle Sinneshaare auf der Fallenoberfläche, werden elektrische Impulse ausgelöst und die Falle klappt blitzschnell zu.

Die Gefangenen versuchen natürlich, sich zu befreien. Doch je heftiger sie sich wehren, umso häufiger berühren sie die Sinneshaare. Das wiederum bewirkt eine ganze Flut elektrischer Impulse sowie die Produktion des Lipidhormons. Dieses aktiviert die zahlreichen Drüsen, die dicht an dicht im Inneren der Falle sitzen: Sie fluten den „grünen Magen“ mit einem sauren Saft, der über 50 verschiedene Verdauungsenzyme enthält.

Wie die Verdauung genau vor sich geht, beschreibt ein Team um den Würzburger Biophysiker Rainer Hedrich in der Zeitschrift „Current Biology“. Demnach arbeitet die Falle der Pflanze als Mund, Magen und Darm zugleich: „Die Drüsen, die erst den enzymreichen sauren Magensaft absondern, nehmen später auch die nährstoffreichen Fleischbestandteile auf“, erklärt Hedrich. „Ist der Magen leer, öffnet sich der Mund, um bei der nächsten Gelegenheit wieder zuzubeißen.“

Wie der Stickstoff erschlossen wird

Die Forscher haben den Mageninhalt der Venus-Fliegenfalle analysiert und herausgefunden: Das Fleisch der Beutetiere wird in seine Eiweißbestandteile, die Aminosäuren, zerlegt. Dabei fiel ihnen auf, dass die Aminosäure Glutamin fehlt, dafür aber das stickstoffhaltige Nährsalz Ammonium auftaucht. Der Grund: „Die Pflanze hat in ihrem Magensaft ein Enzym, das Glutamin zu Glutamat und Ammonium spaltet. Letzteres wird dann von den Drüsen aufgenommen, die zuvor das Verdauungssekret ausgeschüttet haben“, sagt Hedrich.

Dass Pflanzen über diesen Weg Ammonium aus tierischem Eiweiß erschließen können, war bislang unbekannt. An der Entdeckung haben neben Hedrichs Team Heinz Rennenberg von der Universität Freiburg – ein Experte für Stickstoffernährung und Stoffwechsel – sowie Erwin Neher mitgewirkt. Der Göttinger Nobelpreisträger ist Experte für Sekretionsvorgänge.

Was das Lipidhormon bewirkt

Die Forscher haben bei ihren Experimenten noch mehr Neuigkeiten herausgefunden: Wenn eine Falle der fleischfressenden Pflanze keine Beute erlegt und zerlegt hat, funktioniert ihr „Darm“ nicht: In diesem Fall kann sie Ammonium nicht effizient aufnehmen.

Das ändert sich aber, wenn die Falle vorher mit Lipidhormon behandelt wird. „Das Hormon sorgt dafür, dass die Drüsenzellen mit einem Ammonium-Transporter bestückt werden, der das begehrte stickstoffhaltige Molekül in die Pflanze hinein verfrachtet“, so Hedrich. Auch das hierfür verantwortliche Gen haben die Wissenschaftler identifiziert und DmAMT1 genannt (Dionaea-muscipula-Ammonium-Transporter1).

So machen die Forscher weiter

Neben Stickstoff brauchen alle Lebewesen noch viele andere Hauptnährstoffe und Spurenelemente. Wie also zieht die Venus-Fliegenfalle beispielsweise Schwefel und Phosphor aus ihrer Beute? Und in welcher Form nimmt sie diese Nährelemente auf? Wie erkennt die Pflanze, wie voll ihr Magen gerade ist? Investiert sie die Nahrung aus den Beutetieren in neue Fangorgane oder auch in die Produktion neuer Wurzeln? Und was passiert, wenn die Wurzel auf Nahrung trifft? Diese Fragen wollen die Wissenschaftler als nächstes beantworten.

Für dieses Projekt hat Rainer Hedrich 2010 einen Europäischen Forschungspreis erhalten, den mit 2,5 Millionen Euro dotierten ERC Advanced Grant. Untersucht werden die Sinneswahrnehmung, das Fangverhalten und die Verwertung der Beutetiere bei der Venus-Fliegenfalle. Auch ihr Erbgut soll entschlüsselt werden, um die molekularen Prinzipien der Fleischernährung bei Pflanzen aufzuklären.

Scherzer et al., The Dionaea muscipula Ammonium Channel DmAMT1 Provides NH4+ Uptake Associated with Venus Flytrap’s Prey Digestion, Current Biology (2013), http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2013.07.028

Kontakt

Prof. Dr. Rainer Hedrich, Julius-von-Sachs-Institut für Biowissenschaften der Universität Würzburg, T (0931) 31-86100, hedrich@botanik.uni-wuerzburg.de

Media Contact

Robert Emmerich Uni Würzburg

Weitere Informationen:

http://www.uni-wuerzburg.de

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