Chemiker stellen neuen Kernbrennstoff her

Darauf brennt die Fachwelt schon lange: Prof. Dr. Florian Kraus, Dr. Stefan S. Rudel, Dr. H. Lars Deubner und Dr. Matthias Müller (v. l.) stellten erstmals molekulares UN2 her. Benjamin Scheibe

Im Kern etwas Neues: Marburger Chemiker haben erstmals eine molekulare Form der Uran-Stickstoff-Verbindung Uran-Dinitrid hergestellt, die nicht in eine andere Substanz zur Stabilisierung eingebettet ist. Das Molekül könnte sich als Brennstoff für Kernkraftwerke eignen.

Die Wissenschaftler um Professor Dr. Florian Kraus von der Philipps-Universität berichten über ihre Entdeckung im Wissenschaftsmagazin „Nature Chemistry“.

Es sieht so simpel aus – Uran-Dinitrid enthält zwei Stickstoffatome, die beiderseits mittels Dreifachbindungen an ein zentrales Uranatom gebunden sind: N≡U≡N. Nun, so einfach ist es nicht, wie Florian Kraus zu berichten weiß:

„Das UN2-Molekül ist eine Spezies, der Uranchemiker schon seit vielen Jahrzehnten hinterherjagen.“ Dem Marburger Hochschullehrer ist es mit seiner Arbeitsgruppe jetzt endlich gelungen, die Verbindung herzustellen.

Das Team präsentiert drei Komplexe mit UN2, in denen die Verbindung in linearer Anordnung vorliegt. Die Wissenschaftler charakterisierten das Molekül mit Röntgenkristallographie und verschiedenen spektroskopischen Verfahren sowie quantenchemischen Berechnungen.

Diese Analysen bestätigen, dass Dreifachbindungen zwischen den Atomen bestehen. „Das Molekül entspricht in seinem Aufbau dem Uranyl-Kation aus Uran und Sauerstoff – das ist die häufigste Form von Uranverbindungen“, erklärt Stefan Rudel, der seine Doktorarbeit bei Kraus anfertigt und als Erstautor des Fachaufsatzes firmiert.

„Manche Fachleute träumen davon, auf der Basis von UN2 einen neuen Kernbrennstoff zu entwickeln“, sagt Kraus. Die nächste Generation von Reaktorsystemen könnte auf solchen Brennstoffen beruhen.

„Unsere Experimente mit UN2 zeigen: Verwendet man flüssiges Ammoniak als Reaktionspartner und zugleich auch als Lösungsmittel, kommt es nicht zu unerwünschten Reaktionen“, führt der Chemiker aus. „Zudem ist Ammoniak als großindustriell hergestellter Stoff billig und nahezu unbegrenzt verfügbar – diese Umstände sind besonders vorteilhaft, wenn man keramische Kernbrennstoffe synthetisieren möchte.“

Professor Dr. Florian Kraus lehrt Anorganische Chemie an der Philipps-Universität und leitet die Arbeitsgruppe Fluorchemie. Seit Anfang des Jahres 2018 fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft sein Projekt „Fluorchemie unter Hochdruck“ durch ihr „Reinhart Koselleck-Programm“.

Neben Kraus‘ Arbeitsgruppe beteiligte sich der Quantenchemiker Antti J. Karttunen von der Universität Aalto in Finnland an der Studie. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und weitere Geldgeber unterstützten die Forschungsarbeiten finanziell.

Professor Dr. Florian Kraus,
Fachbereich Chemie
Tel.: 06421 28-26668
E-Mail: f.kraus@uni-marburg.de

Originalveröffentlichung: Stefan S. Rudel & al.: Complexes featuring a linear [N≡U≡N] core isoelectronic to the uranyl cation, Nature Chemistry 2020, DOI: 10.1038/s41557-020-0505-5, https://www.nature.com/articles/s41557-020-0505-5

Media Contact

Christina Mühlenkamp idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.uni-marburg.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer