Bonner Professorin erforscht Ursachen des Haarausfalls

Es beginnt meist unspektakulär mit einer kleinen kahlen Stelle am Kopf, die langsam größer und größer wird. Bei manchen Menschen ist nur das Haupthaar betroffen, andere büßen nach und nach ihre komplette Körperbehaarung ein – bis hin zu den Augenbrauen und den Wimpern. Oft wachsen die Haare mit der Zeit nach. Einige Patienten bleiben jedoch kahl.

Die Krankheit heißt Alopecia areata und ist gar nicht mal so selten: Etwa eine Million Menschen in Deutschland erfahren die Symptome zumindest einmal in ihrem Leben am eigenen Leibe. Der „kreisrunde Haarausfall“ – so die deutsche Bezeichnung – ist eine Autoimmunerkrankung: Die körpereigene Abwehr richtet sich gegen die Zellen im Haarfollikel, die den Haarschaft produzieren. „Bei Autoimmunerkrankungen tragen genetische Ursachen und Umweltfaktoren zur Krankheitsenstehung bei“, erklärt Professor Dr. Regina Christine Betz. „Beispiele sind Rheuma oder Asthma. Bei der Alopecia areata ist das nicht anders.“

Größtes Patientenkollektiv weltweit

Die gebürtige Münchnerin untersucht zusammen mit Kollegen aus ganz Deutschland, welche Erbanlagen für den Haarausfall verantwortlich sind. Dazu haben sie inzwischen 1.800 Betroffene mit einer Alopecia areata gesammelt. „Das ist weltweit das größte Patientenkollektiv“, betont Betz nicht ohne Stolz.

Schon seit den 80er Jahren ist bekannt, dass bei der Erkrankung unter anderem der so genannte HLA-Komplex eine wichtige Rolle spielt. Das ist eine Genregion, die beim Menschen für die Erkennung „fremder“ Moleküle verantwortlich ist. Wenn die Unterscheidung zwischen „fremd“ und „selbst“ nicht richtig funktioniert, kann sich das Immunsystem gegen eigene Strukturen richten.

Regina Betz hat zusammen mit ihren Kollegen in den letzten Jahren bereits einige weitere Gene identifiziert, die zur Entstehung der Alopezia areata beitragen. Diese Suche wollen sie nun mit Hilfe des großen Patientenkollektivs ausweiten. Die DFG stellt dafür unabhängig von der Heisenberg-Professur Fördermittel zur Verfügung. „Damit ist es uns möglich, die Patienten mit der so genannten Chip-Technologie zu analysieren“, sagt die 40-Jährige. „Diese Technik erlaubt es, sich bei jedem Patienten gleichzeitig über eine Million Orte auf dem Genom anzuschauen.“

Die Alopecia areata ist eine so genannte genetisch komplexe Erkrankung: Es sind viele verschiedene Gene, die zu dem Krankheitsbild beitragen. Es gibt aber auch so genannte „monogene“ Formen des Haarausfalls, für die jeweils nur eine einzige Erbanlage verantwortlich ist. Ein Beispiel ist die Hypotrichosis simplex, die Regina Betz ebenfalls erforscht. „Wir untersuchen zudem weitere seltene Hypotrichose-Formen“, sagt sie. „Das Problem dabei: Die Zahl der Betroffenen ist häufig so klein, dass wir mit den bisherigen Methoden keine neuen Krankheitsgene identifizieren können.“

Abhilfe verspricht die so genannte Exom-Sequenzierung. Mit dieser Methode lassen sich zu vergleichsweise geringen Kosten nahezu alle Gene eines Menschen analysieren. Mit ihrer achtköpfigen Arbeitsgruppe versucht die Heisenberg-Professorin derzeit, auf diese Weise mehreren Erbanlagen auf die Spur zu kommen, die für seltene Hypotrichose-Formen verantwortlich sind. „Wir beschränken uns aber nicht auf die Suche nach neuen Genen“, betont sie. „Wenn wir eine Erbanlage identifiziert haben, wollen wir auch herausfinden, was sie im Körper bewirkt. So hoffen wir, bisher unbekannte Stoffwechselwege aufzuklären, die für den Haarwuchs eine Rolle spielen. Das ist das eigentlich Spannende an unserer Arbeit.“

Hoher Leidensdruck

Mit diesem Verständnis, so die Hoffnung, könne man mittelfristig vielleicht neue Medikamente entwickeln. Denn so harmlos sich Haarausfall in Vergleich zu manch anderen Krankheiten anhören mag: Für die Betroffenen ist der Leidensdruck oft enorm. Sogar psychiatrische Störungen können die Folge sein. „Wir untersuchen momentan zusammen mit dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, welche Menschen besonders unter dem Haarverlust leiden“, sagt Professor Betz. „Möglicherweise spielen auch hierbei bestimmte Erbanlagen eine wichtige Rolle.“

Kontakt:
Prof. Dr. Regina C. Betz
Heisenberg-Professur für Dermatogenetik (DFG)
Institut für Humangenetik, Universität Bonn
Telefon: 0228/287-51023
E-Mail: regina.betz@uni-bonn.de

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Frank Luerweg idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-bonn.de

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