Bitterstoffe verderben Eichenwickler-Raupen den Appetit

(A-B) Eichenwickler-Raupen auf Eichenblättern. In Ausbruchsjahren verursachen die Raupen starken Blattverlust (C), allerdings können tolerante Eichen (rechts im Hintergrund) den Schaden durch das Insekt verringern.
Bild: Andrea Ghirardo, Hilke Schröder / Helmholtz Munich, Thünen-Institut

Forschungsteam entschlüsselt molekulare Grundlagen des Kampfes zwischen Stieleichen und ihren Fressfeinden.

Wehrlos? Von wegen! Bäume verfügen über ein ganzes Arsenal an Möglichkeiten, Schädlinge, die sie befallen, im Zaum zu halten. Im Laufe der Evolution haben zum Beispiel manche Stieleichen (Quercus robur) die Fähigkeit entwickelt, bei Befall durch Eichenwickler, deren Raupen die Bäume kahlfressen können, flüchtige Signalstoffe abzugeben. Diese chemischen Substanzen halten die weiblichen Eichenwickler-Falter davon ab, den Wirtsbaum zu finden und Eier zu legen. Dies ist jedoch nicht die einzige Abwehrstrategie. Eichenblätter enthalten eine Vielzahl von sekundären Pflanzenstoffen, sogenannte Phytochemikalien, die für den Baum nicht lebensnotwendig sind, aber eine wichtige Rolle bei den Pflanzen-Insekten-Interaktionen spielen. Einige dieser niedermolekularen Verbindungen können den Eichenwickler-Raupen förmlich den Appetit verderben und ihr Wachstum beeinträchtigen.

Forschende des Thünen-Instituts für Forstgenetik in Großhansdorf und des Helmholtz Zentrums München haben nun das „Gesamtpaket“ dieser chemischen Substanzen, die im Stoffwechsel der Bäume gebildet werden – das sogenannte Metabolom – näher untersucht. Dafür haben sie Eichen, die von Eichenwickler-Raupen stark in Mitleidenschaft gezogen werden, mit solchen verglichen, die einen Befall relativ gut tolerieren. Lassen sich zwischen den anfälligen und den toleranten Bäumen Unterschiede im Blatt-Metabolom finden? „Tolerante Eichen investieren mehr Ressourcen in die Synthese von bitteren Polyphenolen. Diese machen als sogenannte Antifeedantien die Blätter für die Raupen schwerer verdaulich“, sagt Dr. Hilke Schröder vom Thünen-Institut für Forstgenetik. Das Forschungsteam hat sich auch den Speichel und den Kot der Raupen näher angeschaut, um herauszufinden, was mit den Blattbestandteilen während und nach der Verdauung geschieht. Die Forschenden fanden heraus, dass pflanzliche Sekundärmetabolite (z. B. Flavonoide; eine zu den Polyphenolen gehörende Gruppe) länger erhalten bleiben und nicht so schnell abgebaut werden wie die Verbindungen aus dem Primärstoffwechsel (z. B. Kohlenhydrate). Darüber hinaus weisen die Stoffwechselreaktionen auf unterschiedliche Abbauwege hin, die die Larven für die Blätter der toleranten bzw. anfälligen Eichen nutzen.

Von Interesse waren auch die Mikroorganismen im Darm der Insekten (das sogenannte Mikrobiom), da die Darmflora eine entscheidende Rolle bei der Verdauung spielt. Die Forschenden fütterten Eichenwickler über mehrere Generationen hinweg mit Blättern, die entweder nur von anfälligen oder nur von toleranten Eichen stammten. Interessanterweise blieb die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm relativ konstant, unabhängig von der Art der Blätter, die den Raupen als Futter dienten. Das deutet darauf hin, dass die Darmflora relativ stabil ist und sich nur wenig an das verfügbare Futter anpasst. Dennoch waren die Eichenwickler-Raupen in der Lage, die ungünstigen Eigenschaften der pflanzlichen Abwehrstoffe zu minimieren – wenn auch unter Einbußen ihrer Wachstumsgeschwindigkeit und ihrer Fitness.

Förderung:
Dieses Projekt wird von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) im Rahmen des Waldklimafonds aus Mitteln des BMEL und des BMUV gefördert, außerdem durch den DFG-Sonderforschungsbereich 992 und das BMBF.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Hilke Schröder
Thünen-Institut für Forstgenetik, Großhansdorf
Tel.: 04102 696 148
Mail: hilke.schroeder@thuenen.de

Originalpublikation:

Bertić M, Orgel F, Gschwendtner S, Schloter M, Moritz F, Schmitt-Kopplin P, Zimmer I, Fladung M, Schnitzler J-P, Schroeder H, Ghirardo A (2023): European oak metabolites shape digestion and fitness of the herbivore Tortrix viridana. Functional Ecology. DOI:10.1111/1365-2435.14299

https://www.thuenen.de

Media Contact

Dr. Michael Welling Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Durchbruch bei CRISPR/Cas

Optimierte Genschere erlaubt den stabilen Einbau von großen Genen. Großer Fortschritt an der CRISPR-Front. Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie (IPB) ist es erstmals gelungen, sehr effizient große Gen-Abschnitte stabil und…

Rittal TX Colo: Das neue Rack für Colocation Data Center

Rittal TX Colo: Flexibel, skalierbar und zukunftssicher Mit der zunehmenden Digitalisierung und künftig auch immer mehr KI-Anwendungen steigt der Bedarf an Rechenleistung signifikant – und damit boomt der Colocation-Markt. Unternehmen…

Partner & Förderer