Bienen, Pilze, Orchideen: Warum die Artenvielfalt bei Orchideen so groß ist

Wie Orchideen, Bienen und Pilze zusammenwirken: Auswirkungen auf die Artenvielfalt

„Eine Hand wäscht die andere“ – dieses Prinzip des wechselseitigen Nutzens gilt, wie die Forschung schon seit 200 Jahren weiß, auch in der Welt der Tiere, Pflanzen und Pilze. Insekten sichern den Fortbestand von Pflanzen, indem sie deren Pollen von einer Blüte zur nächsten transportieren. Während der Bestäubung ernähren sie sich vom Nektar, den die Pflanzen in ihren Blüten absondern. Im Boden wiederum bilden sich Wurzel-Pilz-Netzwerke, in denen Pilze lebenswichtige Mineralien den Pflanzen zuliefern. Als Gegenleistung werden sie von den Pflanzen mit Zucker versorgt.

Die Forschergruppe hat beide Formen der Wechselwirkung mit anderen Organismen hinsichtlich der Frage verglichen, ob und wie sie sich auf die Artenvielfalt im Pflanzenreich auswirken. Die Untersuchungen konzentrierten sich dabei auf 52 Orchideenarten, die in Südafrika beheimatet sind und der Gruppe der Coryciinae angehören. Alle diese Arten produzieren in ihren Blüten Ölsekrete. Bienen sammeln das Öl, um damit ihre Larven zu ernähren, und übertragen dadurch die Pollen der Orchideen. Das Ergebnis des Projekts: Unterschiedliche Mechanismen, durch die Orchideen und Bienen bei der Bestäubung miteinander in Kontakt kommen, aber auch die Artenvielfalt der Bienen tragen ursächlich dazu bei, dass neue Orchideenarten entstehen. Unterirdische Stoffaustauschprozesse mit Pilzen haben hingegen keinen Einfluss auf die Entstehung neuer Orchideenarten. Wohl aber tragen sie dazu bei, dass Orchideenarten in großer Vielfalt gemeinsam am selben Standort wachsen und gedeihen können.

Unterirdisch mit Pilzen verbunden: Wie Orchideenarten harmonisch zusammenleben

Diese neuen Erkenntnisse hinsichtlich der Frage, wie Austauschprozesse mit Pilzen die Artenvielfalt der Orchideen beeinflussen, sind möglich geworden durch die Forschungskompetenzen des Labors für Isotopen-Biogeochemie der Universität Bayreuth. Hier werden insbesondere Isotope des Stickstoffs und Kohlenstoffs schon seit vielen Jahren dafür eingesetzt, Nährstoff-Flüsse innerhalb von Ökosystemen zu analysieren und in Beziehung zur Verbreitung von Pflanzen- und Pilzarten zu setzen. Isotope sind Atome, die sich allein durch die Anzahl der Neutronen im Atomkern unterscheiden.

Unter Anleitung von Prof. Dr. Gerhard Gebauer wurden Vegetationsproben in drei südafrikanischen Regionen entnommen. Die isotopenchemischen Analysen führten zu dem Ergebnis, dass Orchideenarten, die nur entfernt miteinander verwandt sind, verschiedene Pilzarten als Partner wählen. So können sehr unterschiedliche Orchideen arten in räumlicher Nachbarschaft leben, ohne dass sie sich lebenswichtige Nährstoffe streitig machen. Falls diese Orchideen sich dann weiterverbreiten, kooperieren sie mit den gleichen Pilzarten, von denen sie auch in ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten mit Mineralien versorgt wurden. Ein Unterschied zeigt sich allerdings im Vergleich mit nahe verwandten Orchideenarten: Diese suchen sich meistens Pilze der gleichen Art als Partner, so dass sie bei der Mineralstoffversorgung miteinander im Wettbewerb stehen.

Bienen als Pollenüberträger: Wie neue Orchideenarten entstanden sind

Orchideen sind die artenreichste Pflanzenfamilie. Wie konnten weit mehr als 20.000 Orchideen-Arten aus einer einzigen „Ur-Orchidee“ hervorgehen, von der Evolutionsbiologen annehmen, dass sie möglicherweise „erst“ vor rund 80 Millionen Jahren existiert hat? Die Wegbereiter dieser schnellen Ausdifferenzierung sind, wie das internationale Forscherteam zeigen konnte, die Bienen. Wenn nämlich Orchideen in neue Standorte vordringen, müssen sie sich häufig an die dort lebenden anderen Bienenarten anpassen, damit der Transport der Pollen gewährleistet ist. Aus diesen Anpassungsleistungen können neue Orchideenarten entstehen. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Verschiedene Orchideenarten, die in enger Nachbarschaft leben und von Bienen derselben Art bestäubt werden, platzieren ihre Pollen an unterschiedlichen Stellen derselben Biene – beispielsweise auf verschiedenen Abschnitten ihres Vorderbeins. Diese Beobachtung spricht nach Auffassung der Wissenschaftler für die Annahme, dass das Bestreben der Orchideen, den Körper der Bienen optimal für die Pollen-Übertragung zu nutzen, erheblich zur Herausbildung verwandter Orchideenarten beigetragen hat.

Artenvielfalt durch Interaktionen mit anderen Lebewesen

Wechselwirkungen mit anderen Lebewesen haben eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Entstehung und Bewahrung der Artenvielfalt. Dieser grundsätzliche Aspekt ihres Forschungsprojekts ist für Prof. Dr. Gerhard Gebauer und seine Kollegen von besonderer Aktualität. „Infolge des Klimawandels werden sich in zahlreichen Regionen der Erde die Voraussetzungen für das Zusammenwirken von Pflanzen, Tieren und Pilzen ändern. Schon heute ist beispielsweise zu beobachten, dass sich die Qualität der Böden vielerorts verschlechtert und Insektenarten aussterben,“ erklärt Gebauer. „Wenn dadurch die Spielräume für Interaktionen zwischen verschiedenen Lebewesen sinken, ist davon die Artenvielfalt möglicherweise stärker betroffen, als man bisher vermutet hat.“

Veröffentlichung im Druck im Februar 2011:

Richard J. Waterman, Martin I. Bidartondo, Jaco Stofberg, Julie K. Combs,
Gerhard Gebauer, Vincent Savolainen, Timothy G. Barraclough, and Anton Pauw:
The Effects of Above and Below Ground Mutualisms on Orchid Speciation and
Coexistence,
in: The American Naturalist, Issue: February 2011
Abstract online z.Zt. hier:
http://www.journals.uchicago.edu/action/showForthcomingToc?journalCode=an
Kontaktadresse für weitere Informationen:
Prof. Dr. Gerhard Gebauer
Leiter des Labors für Isotopen-Biogeochemie im BayCEER
Universität Bayreuth
95440 Bayreuth
Telefon: +49 (0) 921 / 55-2060
E-Mail: gerhard.gebauer@uni-bayreuth.de

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