Mit Schnupfenviren gegen Krebs

Die Idee ist bestechend: Die Krebszelle selbst wird zur „Apotheke“, die das Mittel zu ihrer eigenen Zerstörung produziert. Der Schlüssel zum Erfolg sind maßgeschneiderte Viren, die zwischen gesunden und Tumorzellen unterscheiden können, sich ausschließlich in Tumorzellen vermehren und sogar die Zellen vernichten können, die gegen herkömmliche Behandlungsmethoden resistent geworden sind.

Um das zu erreichen, haben Wissenschaftler des Instituts für Experimentelle Onkologie am Klinikum rechts der Isar der TU München Adenoviren, einen der vielen Verursacher eines gewöhnlichen Schnupfens, gezielt genetisch verändert. Die im Tiermodell bereits erfolgreich getestete Methode soll nun im Rahmen einer präklinischen Studie überprüft werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt mit 1,2 Millionen Euro.

Hoffnung verspricht der neue Ansatz insbesondere für solche soliden Tumore, für die bisher keine wirksame Therapie zur Verfügung steht. PD Dr. Per Sonne Holm, der Leiter des Konsortiums, dem neben Wissenschaftlern der TU München auch Forscher der Uniklinik Tübingen und der Charité Berlin angehören, erklärt: „Obwohl in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte bei der chirurgischen Intervention, der Strahlen- und der Chemotherapie erzielt wurden, sind wir bei einigen Tumoren wie beim Pankreaskarzinom oder bei bestimmten Gehirntumoren relativ machtlos. Wir haben daher intensiv nach einer innovativen Strategie gesucht, die hier eine Lösung verspricht. Dabei haben wir uns auf Viren konzentriert, da sie die Eigenschaft haben, sich in Zellen einzunisten und sie dann dazu anregen, weitere Viren zu produzieren. Besonders gut geeignet waren die Adenoviren – zum einen rufen sie wenig Nebenwirkungen hervor, zum anderen kann man sie leicht in großen Mengen herstellen.“ Nicht zuletzt deswegen konnte dieser Ansatz bereits erfolgreich an die Firma XVir Therapeutics GmbH in Lizenz vergeben werden.

Neben ihrer onkolytischen, die Tumorzelle zerstörenden Wirkung haben die am Klinikum rechts der Isar untersuchten Adenoviren einen weiteren Vorteil: Sie schwächen vor allem die besonders widerstandsfähigen Tumorzellen. Holm erklärt: „Im Vergleich zu normalen Zellen findet man in Tumorzellen eine erheblich größere Menge eines bestimmten Proteins, YB-1. Dieses Protein ist unter anderem dafür verantwortlich, dass sich die Tumorzellen gegen Medikamente wehren können, die in der Krebsbekämpfung eingesetzt werden. Gleichzeitig spielt durch einen gezielten Eingriff in das Virusgenom das YB-1 aber auch eine zentrale Rolle bei der Vermehrung der in die Zelle eingeschleusten Adenoviren. So können unsere Schnupfenviren die Tumorzellen mit deren eigenen Waffen schlagen.“

Kontakt:
PD Dr. Per Sonne Holm
Institut für Experimentelle Onkologie und Therapieforschung
Klinikum rechts der Isar der TU München
E-mail: per.s.holm@lrz.tu-muenchen.de

Media Contact

Tanja Schmidhofer idw

Weitere Informationen:

http://www.med.tu-muenchen.de

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