Erstmals in deutscher Langzeitstudie gezeigt: HHEX/IDE-Genregion beeinflusst Diabetes-Risiko

Das Team konnte zeigen, dass Studienteilnehmer, je nach vorliegender Variante der Genregion, ein um bis zu 48 Prozent verringertes Diabetes-Risiko haben. Für drei weitere Genorte, die ebenfalls vor kurzem mit dem Diabetes-Risiko in Zusammenhang gebracht wurden, beobachteten die Forscher keine signifikanten Effekte. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten die Wissenschaftler jetzt in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Diabetologia (Schulze et al., 2007).

„Die vier untersuchten Genregionen waren bereits vor kurzem in einer französischen Fall-Kontroll-Studie* als mögliche Diabetes-Risiko-Genorte identifiziert worden. Im nächsten Schritt muss man nun prüfen, ob sie geeignet sind, das Diabetes-Risiko in der Allgemeinbevölkerung zu bewerten. Dies kann mit Hilfe von großen Langzeitstudien, d.h. prospektiven** Studien, geschehen“, erklärt Joost, wissenschaftlicher Direktor des DIfE. „Daher untersuchten wir den Einfluss der vier Genorte erstmals anhand der Potsdamer EPIC***-Studiendaten, um ihn gegebenenfalls zu bestätigen und zu quantifizieren.“

„Wir konnten zeigen, dass die HHEX/IDE-Genregion im Vergleich zu den anderen drei Genorten innerhalb der Potsdamer Bevölkerung das Diabetes-Risiko relativ stark beeinflusst“, kommentiert Matthias Schulze, Erstautor der Studie, die Ergebnisse. „Interessanterweise ist der von uns beobachtete Zusammenhang unabhängig vom Risikofaktor Übergewicht. Daher ist zu vermuten, dass sich die Mutationen in der Genregion auf die Insulinempfindlichkeit oder die Insulinsekretion auswirken. Hierfür würde auch sprechen, dass das HHEX-Gen für ein Protein kodiert, das eine Rolle für die Entwicklung der Bauchspeicheldrüsenzellen spielt.“

„Auch wenn wir für die HHEX/IDE-Genregion einen signifikanten Effekt beobachten konnten, so beeinflussen einzelne genetische Faktoren im Vergleich zu anderen Risikofaktoren wie Übergewicht, ungesunder Ernährung oder Rauchen das Diabetes-Risiko nur in geringem Maße“, erläutert Joost weiter. „Dennoch könnte man unsere Ergebnisse nutzen, um in Zukunft das Diabetes-Risiko einer Person noch genauer zu bestimmen oder um neue Pharmakotherapien zu entwickeln.“

Die DIfE-Wissenschaftler untersuchten u.a. zwei Punktmutationen (Einzel-Nukleotid-Polymorphismen; SNP) in der HHEX/IDE-Genregion, die mit rs1111875 und rs7923837 bezeichnet werden.

Für den SNP rs1111875 konnten die Forscher folgendes zeigen: Studienteilnehmer mit dem Genotyp A/A**** oder G/A hatten im Vergleich zu Personen mit dem Genotyp G/G ein um 48 bzw. ein um 28 Prozent vermindertes Typ-2-Diabetes-Risiko.

Für den SNP rs7923837 ergaben sich folgende Werte: Studienteilnehmer mit dem Genotyp A/A oder G/A hatten, verglichen mit Trägern der G/G Variante, ein um 29 bzw. 26 Prozent vermindertes Risiko.

Bei den drei anderen überprüften Genorten handelt es sich um das Zink-Transportergen SLC30A8 sowie um Genregionen, die das Gen für Exostosin 2 und das hypothetische Gen LOC387761 beinhalten. Für keine der untersuchten SNP dieser Regionen war in der vorliegenden Studie ein bedeutender Zusammenhang mit dem Diabetes-Risiko zu beobachten.

Hintergrundinformation:

Die in der vorliegenden Studie untersuchten Genorte wurden erstmalig in der Fall-Kontroll-Studie* von Sladek, R. et al.; Nature 445:881-885 (2007) als Diabetes-Risiko-Genregionen beschrieben.

Eine Fall-Kontroll-Studie ist eine Form der klinischen Studie in der Medizin. Es handelt sich um eine retrospektive Untersuchung einer Stichprobe, die aus erkrankten Personen besteht (Fall), und einer Stichprobe, die aus gesunden Personen besteht (Kontrolle). Bei beiden Gruppen wird nun ermittelt, ob in der Vergangenheit eine Exposition gegenüber potentiellen Risikofaktoren vorlag. Findet sich ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen, kann man davon ausgehen, dass ein Zusammenhang zwischen Risikofaktor und Erkrankung vorliegt. Keinesfalls kann man allerdings auf eine Ursache-Wirkungs-Beziehung schließen. (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Fall-Kontroll-Studie)

Eine prospektive Studie** (lat. prospicere: voraussehen), wie die Potsdamer EPIC-Studie, ist die Überprüfung der Hypothese der medizinischen Wirksamkeit einer Behandlungsmethode unter vorheriger Festlegung, welche Hypothese geprüft werden soll. Eine solche Studie ist häufig längerfristig angelegt. Deswegen wird der Begriff bisweilen auch als Synonym für Langzeitstudie gebraucht. Der Sinn der Prospektivität liegt in der Tatsache, dass sich beim Aufnehmen von Versuchsdaten praktisch immer ein scheinbarer Zusammenhang zwischen zwei Parametern ergibt, ohne dass ein tatsächlicher Wirkungszusammenhang vorliegt. Ist die Untersuchungshypothese im Vorhinein festgelegt, so ist das Risiko viel geringer, dass sich für diese Hypothese ein solcher scheinbarer Zusammenhang ergibt. Weiterhin können mit prospektiven Studien Hypothesen sauber widerlegt werden. Nicht-prospektive Studien legen es hingegen nahe, neue Hypothesen aufzustellen. Innerhalb einer Langzeitstudie kann ein erster Teil zur Aufstellung von Hypothesen dienen, die im Anschluss prospektiv überprüft werden. (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Prospektive_Studie)

Potsdamer EPIC-Studie*** (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) Basis der Untersuchung sind die Daten der Potsdamer EPIC-Studie mit 27.548 weiblichen und männlichen Studienteilnehmern im Alter zwischen 35 und 65 Jahren. Innerhalb einer Nachbeobachtungszeit von etwa 7 Jahren erkrankten 849 der Teilnehmer/innen an einem Typ-2-Diabetes.

Genotyp A/A****: Genotyp bezeichnet alle im Erbgut kodierten genetischen Informationen. Davon zu unterscheiden ist der Phänotyp (äußere Merkmale) eines Organismus. Genotyp A/A bedeutet, dass sich auf beiden homologen Chromosomen an der Position des entsprechenden SNP die Base „Adenin“ befindet.

Typ-2-Diabetes:

Derzeit ist bei knapp 5 Millionen Menschen in Deutschland ein Typ-2-Diabetes diagnostiziert. Daneben ist mit einer Dunkelziffer in Millionenhöhe zu rechnen, da die Krankheit zu Beginn häufig ohne Anzeichen verläuft und erst mit jahrelanger Verzögerung erkannt wird. Der Typ-2-Diabetes führt häufig zu schwerwiegenden Komplikationen, wie Erblinden, Nierenversagen und Amputation von Gliedmaßen. Zudem sterben Diabetiker früher, vor allem an Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören 84 außeruniversitäre Forschungsinstitute und forschungsnahe Serviceeinrichtungen. Leibniz-Institute arbeiten interdisziplinär und verbinden Grundlagenforschung mit Anwendungsnähe. Sie sind von überregionaler Bedeutung und werden von Bund und Ländern gemeinsam gefördert. Näheres unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de.

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