Afrikas Reichtum liegt auch in der Botanik

Eine Hoffnung für die armen Länder in den Tropen könnte in den so genannten „vergessenen“ Pflanzen liegen: Ein internationales Forscherteam hat nun solche bisher in der restlichen Welt unbeachtete Pflanzen genauer untersucht.

Insgesamt fanden sie 18 Gewächse, die dazu geeignet sind, Lösungsansätze im Kampf gegen Hunger und Krankheiten zu bieten. Bisher wurden in Afrika nämlich allzu oft Pflanzen angebaut, die aus anderen Kontinenten stammen. Experten wie etwa Agronomen, Ernährungswissenschaftler, Ökologen, Entymologen und Politiker sehen gerade in diesen Pflanzen Chancen für die Nöte der Bevölkerung, berichten sie in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature.

Eine dieser Pflanzen heißt Meerrettichbaum (Moringa oleifera). Sie wurde von Klaus Becker, Leiter des Tropenzentrums der Universität Hohenheim, 15 Jahre lang eingehend untersucht. „Wir haben den Wunderbaum, so wird Moringa oleifera auch genannt, vor allem in seiner Bedeutung als erneuerbare Aquakulturnahrungspflanze und als Antioxidant untersucht“, so Becker im pressetext-Gespräch. Bis zu 50 Prozent des Fischmehls könne durch getrocknete Moringablätter ersetzt werden. „Der Meerrettichbaum hat aber zudem eine ganze Reihe von geradezu sensationellen Verwendungsmöglichkeiten“, schwärmt der Experte.

„Der ernährungsphysiologische Wert, vor allem der Blätter, ist extrem hoch: Die Blätter sind proteinreich und weisen 25 bis 30 Prozent Rohprotein in Trockenmasse auf.“ Zudem sei das Protein von hoher Wertigkeit und könne den Tagesbedarf eines Menschen decken. „Das ist aber bei weitem noch nicht alles“, so Becker. Die Mikronährstoffe der Blätter wären fast rekordverdächtig: Die Blätter enthalten 300 bis 400 Milligramm Betacarotin pro Kilo Trockenmasse. „Das ist bei weitem mehr als die viel gepriesene Gen-Reissorte Golden Rice. Hinzu kommen noch Eisenwerte von 500 Milligramm pro Kilo, bis zu zehn Gramm Ascorbinsäure pro Kilo, sowie verfügbares Phosphor und Kalzium“, erklärt Becker.

Die überraschenden Werte hat Becker in wild wachsenden Meerrettichbaum-Blättern gefunden. Der rasch wachsende Baum, der eine Höhe von fünf bis 15 Meter erreicht, kann unter natürlichen Bedingungen in einem Jahr um bis zu drei Meter wachsen. „In Nicaragua konnten wir zeigen, dass der Moringa-Baum sich auch als Plantagenpflanze eignet“, erklärt der Experte. „Bei enger Pflanzung entwickeln sich die Pflanzen aber zu Sträuchern. Dennoch konnten 120 Tonnen Trockenmasse pro Hektar erreicht werden.“ Bei tropischem Klima sind zwischen sieben und acht Schnitte pro Jahr möglich. „Moringa ist darüber hinaus auch ein natürlicher Antioxidiant gegen freie Radikale,“ so Becker.

Doch nicht nur die Blätter des Meerrettichbaumes sind wertvolle Rohstofflieferanten: „Das Öl aus den Samen, das sehr lange haltbar ist und nicht ranzig wird, kann sowohl als Nahrungs- als auch als Feinmaschinenöl genutzt werden“, erklärt der Forscher. „Forschungen in den vergangenen Jahrzehnten haben gezeigt, dass die Samen auch zur Aufbereitung von Trinkwasser verwendet werden können. Dazu werden die Samen gestampft und gemahlen, in kleine Säckchen gefüllt und in Behältnisse mit Flusswasser gegeben. Einige Stunden danach ist das vorher trübe Wasser klar“, erklärt der Forscher. Versuche in Tansania und Malawi hätten eine erfolgreiche Anwendung gezeigt.

„Wir konnten in unseren Arbeiten wissenschaftlich nachweisen, dass der Meerrettichbaum vielfältige Anwendungsgebiete in den Tropen hat“, erklärt Becker abschließend. In der ayurvedischen Medizin finden sich zudem weitere Anhaltspunkte dafür, dass diese Pflanze bereits seit Jahrtausenden in der Heilkunde Ostasiens angewendet wurde. Derzeit arbeitet Becker gerade an der Erforschung einer weiteren tropischen Nutzpflanze – der Prugiernuss (Jatropha curcas).

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Wolfgang Weitlaner pressetext.austria

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