Raffinierte Vibrationen weisen Bienen den Weg

Speist man an einer Stelle der Bienenwabe (links unten) feinste Schwingungen ein, dann schwingen die gegenüberliegenden Wände im Gleichtakt. Pro Zellreihe gibt es eine einzige Zelle, deren Wände sich entgegengesetzt bewegen. Bild: Kleinhenz/ Tautz

Neue Erkenntnisse über das Leben im Bienenstock erregen auch das Interesse von Bauingenieuren

Großstädte sind bei Nacht durch unzählige Lichtreklamen erleuchtet. Will eine Firma in diesem Lichtermeer besonders auffallen, dann verwendet sie eine blinkende Werbung. Den gleichen Trick nutzen Bienen, wenn sie im geschäftigen Treiben ihres Stocks eine Botschaft loswerden wollen. Statt eines Blinklichts setzen sie aber raffinierte Vibrationssignale ein. Das berichten Bienenforscher von der Uni Würzburg zusammen mit französischen und australischen Kollegen.

Die Tänze der Bienen gehören zu den komplexesten Kommunikationsformen im Tierreich. Will eine Sammlerin ihre Kolleginnen auf einen weit entfernten Futterplatz aufmerksam machen, dann tut sie dies mit einer Kette aufeinander folgender Verhaltensschritte, die alle im dunklen Bienenstock ablaufen.

Die Kette beginnt damit, dass die Tänzerinnen andere Bienen zu sich heranlocken, um ihnen dann im Nahkontakt die Information über die Lage der Futterstelle zu vermitteln. Für diesen ersten Schritt spielen feinste Vibrationen der Waben, auf denen die Tänze stattfinden, eine entscheidende Rolle.

Der Würzburger Bienenforscher Jürgen Tautz, der Franzose Jerome Casas und der Australier David Sandeman haben entdeckt, dass die von einer Tänzerin erzeugten Schwingungen auf der Wabe ein raffiniertes zweidimensionales Muster bilden: Dabei schwingen gegenüberliegende Wände immer gleichsinnig, während bei einigen wenigen Wabenzellen in der Nähe der Vibrationsquelle die Bewegungen genau gegenläufig sind.

Auf diese Weise entstehen nahe bei der Tänzerin Orte, die inmitten des Trubels im Bienenstock auf den Vibrationssinn der Bienen in etwa so wirken wie ein blinkendes Licht in einer gleichmäßig hellen Umgebung auf den optischen Sinn. Prof. Tautz: „Die Bienen nutzen dieses spezielle Schwingungsmuster als Wegweiser zur Tänzerin.“

Diese Erkenntnis wurde in Tours in Frankreich gewonnen, wo zwei identische Laser-Doppler-Vibrometer zur Verfügung stehen. Damit war es den Forschern möglich, die Bewegung an zwei Wabenpunkten gleichzeitig zu messen und so Schritt für Schritt die Vorgänge in der Umgebung einer Schwingungsquelle – im natürlichen Falle also einer Bienentänzerin – zu rekonstruieren.

Bauingenieure interessieren sich für die Konstruktion der Waben

Für das besondere Schwingungsverhalten der Waben interessieren sich auch Bauingenieure: Eine Arbeitsgruppe von der Firma CalTec in Pasadena (Kalifornien) hat bereits mit den Würzburger Bienenforschern Kontakt aufgenommen. Die Amerikaner befassen sich mit der Konstruktion von erdbebenfesten Stahlgerippen in Hochhäusern und interessieren sich dafür, wie die Bienen ihre Waben bauen und wie sie es schaffen, dass Schwingungen entweder weitergeleitet oder gedämpft werden. „Die Bienen haben während ihrer 50 Millionen Jahre dauernden Evolution also Entdeckungen gemacht, aus denen der Mensch als Baukonstrukteur lernen kann“, so Tautz.

Die britische Society for Experimental Biology hält die geschilderten Forschungen für so aufregend, dass diese in der letzten November-Ausgabe des Wissenschaftsblatts „Journal of Experimental Biology“ als besonders interessant hervorgehoben wurden.

Hinweis für Redaktionen/Journalisten: Weitere Informationen erhalten Sie bei Prof. Dr. Jürgen Tautz, T (0931) 888-4319, Fax (0931) 888-4309, E-Mail: tautz@biozentrum.uni-wuerzburg.de

Die Originalarbeit „Phase reversal of vibratory signals in honeycomb may assist dancing honeybees to attract their audience“ von Tautz, Casas und Sandeman, The Journal of Experimental Biology 204, 3737-3746 (2001), können Sie bei der Pressestelle der Universität Würzburg anfordern, T (0931) 31-2401 oder 31-2751.

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Robert Emmerich idw

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