Gerüstmolekül Harmonin als Schlüsselfaktor des Usher-Syndroms erkannt

Mainzer Zoologen leisten wertvollen Beitrag zum Verständnis der häufigsten Form kombinierter Taub-Blindheit des Menschen


Das Usher-Syndrom (USH) des Menschen ist die häufigste Erbkrankheit, die zum Gehörverlust und zum Erblinden führt. Die Betroffenen können bereits von Geburt an taub sein und verlieren im weiteren Verlauf der Krankheit ihr Augenlicht. Häufig geht das Syndrom mit einer Störung des Gleichgewichtssinns einher. Wissenschaftler um Univ.-Prof. Dr. Uwe Wolfrum vom Institut für Zoologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz haben weit reichende neue Erkenntnisse zur Entstehung dieser schwerwiegenden Krankheit gewonnen. Demnach verbindet das Gerüstmolekül Harmonin verschiedene Proteine, die an dem Usher-Syndrom beteiligt sind, zu einem Komplex. Der Defekt einer dieser Komponenten führt dann vermutlich zur Fehlfunktion des gesamten Netzwerkes und leitet so die Ausprägung der neurodegenerativen Erkrankung ein. Die Arbeiten wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Human Molecular Genetics veröffentlicht. Die Mainzer Forschergruppe ist in Deutschland derzeit die einzige, die an dem Usher-Syndrom zellbiologisch arbeitet.

Das Usher-Syndrom kann auf Grund klinischer Befunde in drei ähnliche, doch in ihrer Ausprägung unterscheidbare Hauptformen (Usher-Syndrom Typ 1 bis Typ 3) eingeteilt werden. Diese setzen sich wiederum aus genetisch verschiedenen Subtypen zusammen. Bislang sind von den 12 Genen, deren Mutation, also Defekt, zu einer der Subformen des Syndroms führt, erst 9 identifiziert. Diese Usher-Gene kodieren für Proteine, die sehr unterschiedlichen Proteinklassen mit weitem Funktionsspektrum zuzuordnen sind. Bislang war es ein Rätsel, weshalb Defekte in solch verschiedenen Molekülen zu einem so ähnlichen Erscheinungsbild führen.

In einer Kooperation mit internationalen Partnern konnte die Arbeitsgruppe um Wolfrum zeigen, dass alle bislang identifizierten Proteine, die mit dem Usher-Syndrom in Zusammenhang stehen, über das Gerüstmolekül Harmonin (USH1C) in einem Proteinnetzwerk verbunden sind. Die Forschungsarbeiten der Molekular- und Zellbiologen konnten die erste molekulare Verbindung zwischen den Usher-Syndrom Typ 1 und Typ 2 nachweisen. Diese Arbeiten wurden in der letzten Dezemberausgabe der Fachzeitschrift Human Molecular Genetics veröffentlicht (Reiners et al., Hum. Mol. Genet. 14: 3933-3943). Diese neuen Ergebnisse zum „Interactom“ der Usher-Syndrom-Proteine fanden auch Eingang in einen Übersichtsartikel der Arbeitsgruppe, der sich gerade im Druck befindet. Der Defekt einer Komponente des Usher-Proteinnetzwerkes dürfte zur Fehlfunktion des gesamten Netzwerkes führen und so in einen pathophysiologischen Prozess münden, der letztendlich zur Ausbildung der Symptome des Usher-Syndroms führt.

Die vorliegenden Arbeiten liefern weit reichende, wichtige neue Erkenntnisse zum Usher-Syndrom, die für zukünftige fundierte Therapieansätze dieser erblichen Blind-Taubheit essentiell sind. Die Forschungsvorhaben wurden zum Teil im Rahmen des Graduiertenkollegs 1044 „Entwicklungs- und krankheitsinduzierte Modifikationen im Nervensystem“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft durchgeführt und vor allem durch Stiftungsmittel von Patientenorganisationen (FAUN-Stiftung, Nürnberg; Forschung contra Blindheit – initiative Usher Syndrom e.V.) unterstützt.

Kontakt und Informationen:
Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Uwe Wolfrum
Institut für Zoologie, Abt. für Zell- und Matrixbiologie
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. 06131 39-25148, Fax 06131 39-23815
E-Mail: wolfrum@uni-mainz.de

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Petra Giegerich idw

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