Honigbienen haben erstaunlich kluge Mini-Gehirne

Wenn in Verhaltensexperimenten Zuckerlösungen als Belohnung winken, offenbaren Bienen ihre erstaunliche Leistungsfähigkeit. Die Tiere auf dem Foto sind mit Farbpunkten markiert, damit sie während des Versuchs identifiziert werden können. Foto: Fiola Bock, Beegroup Würzburg

Düfte, Farben, Muster – diese drei Dinge prägen sich im Gedächtnis von Honigbienen ein. Die Insekten können nicht nur einzelne optische Muster wiedererkennen, sondern sich auch Kombinationen merken. Und sie sind sogar dazu in der Lage, das Gelernte zu verallgemeinern und in Situationen anzuwenden, denen sie vorher noch nie ausgesetzt waren. Über diese neuen Erkenntnisse aus dem Biozentrum der Uni Würzburg berichtet das US-Fachblatt „PNAS“.

Fiola Bock und Professor Jürgen Tautz aus der Würzburger „Beegroup“ haben diese erstaunliche Leistung des Bienengehirns gemeinsam mit australischen Kollegen ermittelt. Sie ließen ihre Versuchsbienen durch einen mehrere Meter langen Tunnel fliegen. Nach kurzer Zeit trafen die Tiere dort auf eine Querwand, versehen mit einem blau-weiß-quergestreiften Muster und einem Durchflugloch in der Mitte. Wieder etwas später folgte eine weitere Wand, diesmal mit blau-weißen Längsstreifen. Am Ende des Tunnels schließlich fanden die Bienen beide Muster wieder, wobei hinter dem zuerst gesehenen Muster eine leckere Zuckerlösung auf sie wartete.

Die Bienen mussten nun den Tunnel mit genau dieser Musteranordnung mehrmals durchfliegen. Dabei lernten sie bald, welches Muster die süße Belohnung verheißt. Dann änderten die Wissenschaftler die Versuchsbedingungen – sie ersetzten die vertrauten Muster durch andere, die die Bienen zuvor noch nie gesehen hatten. Es stellte sich heraus, dass die Insekten die zuvor gelernte Lektion verallgemeinern konnten: Sie suchten ihre Belohnung immer hinter dem Muster, das im Tunnel zuerst auftauchte. Also hatten sie folgende abstrakte Regel gelernt: „Beachte immer das erste Muster und ignoriere das zweite“ – das Ganze funktioniert auch anders herum. „Wenn das keine Bienen-Intelligenz ist!“, schwärmt Professor Tautz.

Bei den Tunnelversuchen fanden die Forscher zudem heraus, dass der „Arbeitsspeicher“ des Bienengehirns etwa fünf Sekunden lang mit den letzten Erlebnissen geladen bleibt. Bekamen die Tiere einmalig ein optisches Muster zu sehen, so erkannten sie es wieder, wenn es innerhalb von fünf Sekunden erneut auftauchte. Diese Zeitspanne reicht aber offenbar aus, um hoch komplexe Aufgaben wie die oben geschilderten Tunnelflüge zu bewältigen.

Die hoch entwickelte Fähigkeit, Wissen zu erwerben und es anzuwenden, wird beim Menschen mit den Methoden der Lern- und Kognitionspsychologie beschrieben und gemessen. „Eine Übertragung dieser Konzepte und Experimente auf Tiere hat ergeben, dass unsere nächsten Verwandten, die Affen, nahezu alles leisten können, was für Menschen bekannt ist“, sagt Tautz. Auch die konsequente Anwendung der Lern- und Kognitionskonzepte auf Insekten, wie sie von einigen Forschergruppen weltweit seit Jahren praktiziert wird, habe Erstaunliches zu Tage gefördert. Die Kluft zwischen den geistigen Fähigkeiten von höheren Wirbeltieren und Insekten scheint also kleiner zu sein, als man es zunächst vermuten könnte.

Shaowu Zhang, Fiola Bock, Aung Si, Jürgen Tautz, Mandyam V. Srinivasan: „Visual working memory in decision making by honey bees“, PNAS, online publiziert am 28. März 2005, DOI 10.1073/pnas.0501440102

Weitere Informationen: Prof. Dr. Jürgen Tautz, T (0931) 888-4319, Fax (0931) 888-4309, E-Mail: tautz@biozentrum.uni-wuerzburg.de

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