Forscher suchen nach "Krebs-Genen"
Gezielte Untersuchungen der Taufliegen sollen der Humanmedizin helfen
Erstmals hat ein internationales Wissenschaftsteam des einen nahezu vollständigen Satz von Erbanlagen der Taufliegen nach Genen durchforstet, die bei Krebserkrankungen eine Rolle spielen könnten. Für ihre Untersuchung benutzten die Forscher Blutzellen der Taufliege Drosophila, einem Modellorganismus, der sich besonders gut für genetische Studien eignet. Mit modernen Verfahren analysierten sie die Funktion von fast 20.000 verschiedenen Genen. Über die Forschungsergebnisse berichten sie in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science.
Mit modernen Hochdurchsatzverfahren haben Michael Boutros und ein Team mehr als 400 Gene identifiziert, die für Vermehrung und Überlebensfähigkeit von Zellen notwendig sind. Bekannt ist den Forschern, dass die meisten Krebserkrankungen auf Veränderungen im Erbgut zurückgehen. Diese bewirken, dass sich die betroffenen Zellen ungehemmt vermehren oder sich nicht durch das Immunsystem vernichten lassen. Die Informationen über die Erbanlagen sind weitgehend dekodiert, unbekannt ist aber weiterhin, welche Rolle die einzelnen Gene im Organismus spielen. „Die systematische Untersuchung von Genfunktionen ist nach der Entschlüsselung des Genoms der nächste logische Schritt“, so Boutros. „Das Ziel ist, eine Art Landkarte zu erstellen“, erklärt der Experte. „Die meisten der 25.000 bis 30.000 Gene des Menschen sind darauf bereits verzeichnet. Nun geht es darum, die Straßennamen zu entziffern, also die jeweiligen Aufgaben und Wechselwirkungen der Gene untereinander zu verstehen“, führt Boutros aus.
Boutros benutzte das so genannte RNA-Interferenz-Verfahren (RNAi-Screening), um die Funktionen der einzelnen Gene gezielt zu analysieren. „Bei dieser Methode sucht man sich zunächst aus einer Datenbank die Abfolge der Informationsbausteine aller zu untersuchenden Gene heraus. Nach diesem Muster stellt man für jedes Gen eine künstliche RNA-Kopie her“, erklärt Boutros. Wenn Zellen mit den maßgeschneiderten RNA-Molekülen behandelt werden, legen diese gezielt ihr jeweils natürliches Gen-Vorbild in den Zellen lahm. „Sterben daraufhin Zellen ab oder hören sie auf sich zu teilen, ist klar, dass das betreffende Gen bei diesen Lebensfunktionen eine entscheidende Rolle spielen muss“, führt Boutros aus. Diese Methode funktioniere aber bei menschlichen Zellen nicht im gesamten Genom, daher sind Genforscher derzeit auf Modellorganismen angewiesen.
Mit seiner Gruppe arbeitet Boutros unter anderem daran, das RNAi-Screening auch bei menschlichen Zellen anwenden zu können. Dann wäre es zum Beispiel möglich, die Funktionen der Gene in Tumorzellen zu erfassen oder auch zwischen verschiedenen Krebsarten zu vergleichen. Je weiter Wissenschaftler in das molekulare Geschehen bei Krebserkrankungen vorstoßen, desto mehr zeichnet sich ab, dass es dabei selten um Veränderungen einzelner weniger Gene geht. „Es sind mehrere kleine Schritte, die ein ungeheuer komplexes Wechselspiel von Genen und Genprodukten aus dem Ruder laufen lassen und erst in ihrer Gesamtheit dazu führen, dass eine Zelle entartet“, meint Boutros.
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