Neuer Schlüssel zur Erzeugung von Krankheitsresistenzen in Kulturpflanzen

Gießener Forscher finden gemeinsame molekulare Grundlagen für Krankheitsresistenz in Pflanzen und Zelltodregulation bei Säugetieren

Die Ergebnisse von Untersuchungen am Institut für Phytopathologie und Angewandte Zoologie der Justus-Liebig-Universität Gießen (Gf. Direktor Prof. Dr. Karl-Heinz Kogel und Dr. Ralph Hückelhoven, IFZ für Umweltsicherung Gießen), die kürzlich in den „Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA“ veröffentlich wurden(100: 5555-5560), zeigen, dass die so genannte Zelltodregulation bei Tieren und Pflanzen sowie die zelluläre Abwehrreaktion gegen Krankheitserreger auf gemeinsamen molekularen Grundlagen beruhen, deren Verständnis nicht nur in medizinischer, sondern auch in agronomischer Hinsicht genutzt werden kann. Damit ist es gelungen, einen zentralen Schlüssel für die Steuerung von Resistenzreaktionen bei Mensch, Tier und Pflanze zu identifizieren. Die Forscher versprechen sich von dieser Entdeckung ganz neue Möglichkeiten zur Kontrolle von Krankheitserregern und in der Konsequenz eine Reduktion des Einsatzes von chemischen Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft.

Die Mechanismen der Resistenz von Pflanzen gegenüber mikrobiellen Krankheitserregern sind bis heute kaum verstanden, obwohl in den letzten Jahren enorme Fortschritte bei der Identifizierung der molekularen Grundlagen gemacht wurden. Seit Anfang des letzten Jahrhunderts ist bekannt, dass die so genannte „Hypersensitive Reaktion“ von Getreidepflanzen an der Resistenz gegen Pflanzenpathogene beteiligt ist. Diese komplex gesteuerte Reaktion beschränkt das Wachstum des Krankheitserregers auf eine oder wenige Zellen und verhindert so eine Ausbreitung der Infektion.

Die „Hypersensitive Reaktion“ – heute auch als „Programmierter Zelltod“ bezeichnet – ist ein genereller Mechanismus, der in allen höheren Organismen zur Beseitigung von überflüssigen, entarteten oder infizierten Zellen benötigt wird. Eine fehlerhafte Steuerung dieses Prozesses etwa durch Einwirkung von Krankheitserregern oder Veränderungen des Erbguts führt zu Infektionskrankheiten oder Gewebeentartung. Deshalb wurden in der Hoffnung, neue Strategien zur Bekämpfung von Infektionen und Krebs zu entwickeln, die molekularen Grundlagen der Zelltodregulation bei Säugetieren und Menschen im Detail untersucht. Ein Schlüsselmechanismus der Zelltod-(Apoptose-)Induktion bei Säugern ist die Freisetzung des Proteins Cytochrom c aus bestimmten Zellorganellen – den Mitochondrien – der Zellen, die beseitigt werden sollen. Das geschieht über die Bildung von so genannten BAX-Proteinporen in der äußeren Membran der Mitochondrien. Durch diese Poren entweicht Cytochrom c ins Zellplasma, wo es in gesunden Zellen nicht zu finden ist. Das löst eine Aktivierungskaskade von Protein abbauenden Enzymen aus, die den kontrollierten Abbau der Zelle bewerkstelligen.

Der BAX-Protein-abhängige Zelltod kann durch die gleichzeitige Bildung eines anderen Proteins, des BAX Inhibitor-1, verhindert werden. In den letzten Jahren wurde gezeigt, dass die künstliche Einbringung von Säugetier-BAX in Pflanzen ebenfalls Zelltodreaktionen auslösen kann. Erstaunlicherweise fand sich im Erbgut verschiedener Pflanzen auch eine BAX Inhibitor-1 ähnliche Sequenz, ein wichtiger Hinweis darauf, dass der Mechanismus der Zelltodregulation in Pflanzen ähnlich wie in Säugetieren funktioniert.

Am Institut für Phytopathologie und Angewandte Zoologie der Justus-Liebig-Universität Gießen wurde die Rolle des BAX Inhibitor-1 der Gerste genauer untersucht. Ganz unerwartet zeigte sich, dass eine experimentell erhöhte Expression, also eine verstärkte Bildung, des BAX Inhibitor-1 zu einer stark erhöhten Anfälligkeit, einer so genannten „Super-Anfälligkeit“ von Pflanzen gegenüber Mehltaupilzen, weltweit wichtigen Krankheitserregern, führte. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Pflanzen über eine reduzierte Bildung von BAX-Inhibitor-1 widerstandsfähiger (resistenter) gegenüber Krankheitserregern werden. Das ist umso erstaunlicher, als diese Resistenz nicht auf einer Zelltodreaktion, sondern auf einer Zellwandverstärkung beruht, die das erste Eindringen des Krankheitserregers verhindert.

Kontaktadresse:

Prof. Dr. Karl-Heinz Kogel
und Dr. Ralph Hückelhoven
Institut für Phytopathologie und Angewandte Zoologie
IFZ für Umweltsicherung
Heinrich-Buff-Ring 26-32
35392 Gießen
Tel.: 0641 – 99-37490
Fax: 0641 – 99-37491
E-mail: Karl-Heinz.Kogel@agrar.uni-giessen.de

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Christel Lauterbach idw

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