Wenn der Federkiel verrät, ob es ein Hahn oder eine Henne ist

Der Erpel der Stockente ist prachtvoll gefiedert, während das Weibchen unscheinbar daherkommt – de facto im Tarnanzug. Eine Verwechslung der Geschlechter ist damit ausgeschlossen. Schwieriger wird es bei Vogelarten, bei denen sich Hahn und Henne nur marginal unterscheiden. Bei Großpapageien, wie Aras oder Amazonen, lässt sich das Geschlecht lediglich mittels Endoskopie oder mit Hilfe molekulargenetischer Methoden sicher bestimmen.

Doch wenn Forscher das Geschlecht wissen wollen, treibt sie nicht nur Neugier, sondern ein handfestes wissenschaftliches Interesse an. Um seltene, vom Aussterben bedrohte Vögel züchten zu können, müssen etwa Artenschützer selbstverständlich wissen, ob sie es tatsächlich mit einem Brutpaar zu tun haben. Die Methode, die Tiere zu narkotisieren und danach zu untersuchen, ist nicht ganz ungefährlich. „Jede Vollnarkose birgt für den Vogel ein Risiko“, sagt Dr. Petra Rösch von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Chemikerin hat gemeinsam mit Prof. Dr. Jürgen Popp und den Doktoranden Michaela Harz und Mario Krause ein Verfahren entwickelt, mit dem sich völlig stressfrei das Geschlecht von Vögeln bestimmen lässt. Kooperationspartner des Jenaer Teams ist PD Dr. Thomas Bartels von der Klinik für Vögel und Reptilien an der Universität Leipzig. Das Verfahren wurde zum Patent angemeldet und ist gerade in der US-amerikanischen Fachzeitschrift „Analytical Chemistry“ veröffentlicht worden.

„Wir benötigen zur Bestimmung des Geschlechts lediglich eine im Wachstum befindliche Feder, wie sie die Vögel während der Mauser entwickeln“, sagt Jürgen Popp. Die im Federkiel enthaltenen Zellen werden mit einem Spatel ausgedrückt und in die Analyseapparatur gegeben. Untersucht wird die Probe mittels Raman-Spektroskopie. Dieses Verfahren beruht auf dem Effekt, dass Moleküle, die mit monochromatischem Licht bestrahlt werden, das Licht in alle Raumrichtungen streuen. Ein Teil dieses Streulichts, die sogenannte Raman-Streuung, enthält Informationen über die Probe. Diesen Effekt entdeckte der indische Physiker Chandrasekhara Venkata Raman, das brachte ihm bereits 1930 den Nobelpreis für Physik ein.

Bei der Geschlechtsbestimmung der Vögel wird die Probe mit ultraviolettem Laserlicht einer Wellenlänge von 244 Nanometer bestrahlt. Unter dem Mikroskop wird die DNA des Vogels untersucht. „Bei der DNA-Analyse lässt sich über die unterschiedliche Menge an DNA der Chromosomen das Geschlecht des Tieres bestimmen“, weiß Rösch. Während beim Menschen die Kombination von X- und Y-Chromosom maßgeblich für das männliche Geschlecht des Embryos ist, weisen männliche Vögel zwei Z-Chromosomen auf, während die Weibchen eine ZW-Kombination haben.

Entwickelt wurde die neue Methode der Geschlechter-Bestimmung zunächst für das Haushuhn (Gallus gallus f. dom.). Im Zuge des Projekts sollen weitere Vogelarten hinzukommen. Als weiteres Ziel, so PD Dr. Thomas Bartels, soll eine Methode entwickelt werden, um das Geschlecht der Tiere bereits am Ei festzustellen. Damit ließe sich das routinemäßige Töten männlicher Küken im Rahmen der Legehennenzucht vermeiden. Ein Problem, das nicht nur Tierschützer anprangern.

Originalpublikation:
Harz, M. et al (2008): Minimal Invasive Gender Determination of Birds by Means of UV-Resonance Raman Spectroscopy. Analytical Chemistry, Vol. 80, pp. 1080-1086.
Kontakt:
Prof. Dr. Jürgen Popp / Dr. Petra Rösch
Institut für Physikalische Chemie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Helmholtzweg 4, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 948320 und 948381
E-Mail: juergen.popp[at]uni-jena.de / petra.roesch[at]uni-jena.de

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Stephan Laudien idw

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