Bakterium Yersinia pestis eindeutig als Ursache der großen Pestepidemie des Mittelalters identifiziert

Anthropologen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) belegen anhand neuester Untersuchungen, dass tatsächlich das Bakterium Yersinia pestis im Mittelalter den „Schwarzen Tod“ über Europa gebracht hat.

Der Ursprung der Epidemie war bisher rätselhaft und es wurde immer wieder über andere Erreger als mögliche Ursache, insbesondere für den nordeuropäischen Raum, spekuliert. Wie das internationale Team um die Mainzer Wissenschaftlerinnen anhand von DNA- und Proteinanalysen an Pestskeletten eindeutig zeigt, ist Yersinia pestis für den Schwarzen Tod im 14. Jahrhundert und die folgenden, während 400 Jahren immer wieder aufflammenden Epidemien auf dem europäischen Kontinent verantwortlich.

Die Untersuchung alter Erbsubstanz aus Massengräbern in fünf Ländern zeigt außerdem, dass zumindest zwei Varianten von Yersinia pestis, die beide bisher unbekannt waren, als Krankheitserreger aufgetreten sind. „Unsere Befunde lassen vermuten, dass die Pest über mindestens zwei Kanäle nach Europa eingeschleppt wurde und dann jeweils eine individuelle Route genommen hat“, sagt Dr. Barbara Bramanti vom Institut für Anthropologie. Die Arbeiten, veröffentlicht in dem Wissenschaftsjournal PLoS Pathogens, liefern nun einen Ansatz, um die Infektionswege dieser Krankheit im Detail historisch zu rekonstruieren.

Barbara Bramanti forscht seit einigen Jahren im Rahmen eines DFG-Projekts über die großen Seuchen, die in Europa grassierten und ihre möglichen Selektionskonsequenzen. Für die jetzt veröffentlichte Arbeit wurden 76 menschliche Skelette aus mutmaßlichen Pestgruben aus England, Frankreich, Deutschland, Italien und den Niederlanden untersucht. Während andere Erkrankungen wie beispielsweise Lepra an deformierten Knochen auch lange Zeit nach dem Tod gut erkannt werden können, besteht das Problem bei der Suche nach Pestopfern darin, dass diese Krankheit innerhalb von wenigen Tagen zum Tod führen kann und keine sichtbaren Spuren hinterlässt. Wenn man Glück hat, konnte sich DNA des Erregers in der Zahnpulpa bzw. Proteinspuren in Knochen über lange Zeit erhalten. Und selbst dann ist seine Entdeckung schwierig und kann durch eventuelle Kontaminationen verfälscht werden. Das Team um Bramanti ist mit den Analysen der alten Erbsubstanz, auch „alte DNA“ oder „aDNA“ genannt, fündig geworden: Zehn Individuen aus Frankreich, England und den Niederlanden zeigten ein Yersinia-pestis-spezifisches Gen. Weil die Proben aus dem italienischen Parma und aus Augsburg kein Ergebnis brachten, wurden sie – erfolgreich – einer anderen Methode unterzogen, der Immunochromatographie, auf der beispielsweise auch Schwangerschaft-Schnelltests basieren.

Nachdem die Infektion mit Y. pestis eindeutig nachgewiesen war, haben Stephanie Hänsch und Barbara Bramanti anhand einer Analyse von ca. 20 Markern untersucht, ob eine der bekannten Bakterienvarianten „Orientalis“ oder „Medievalis“ vorliegt. Aber weder die eine noch die andere Variante wurde gefunden, stattdessen zwei unbekannte Formen, die älter sind und sich von den modernen Erregern in Afrika, Amerika, dem Nahen Osten und dem Gebiet der früheren Sowjetunion unterscheiden. Eine dieser beiden Formen, die vermutlich wesentlich zu dem katastrophalen Verlauf der Seuche im 14. Jh. beigetragen haben, ist heute mit großer Wahrscheinlichkeit ausgestorben. Die andere scheint Ähnlichkeiten mit Formen zu zeigen, die vor kurzem in Asien isoliert worden sind.

Hänsch und Bramanti zeichnen in ihrer Rekonstruktion der Ereignisse eine Ausbreitungsroute, die von der anfänglichen Einschleppung des Erregers im November 1347 aus Asien nach Marseille über Westfrankreich nach Nordfrankreich bis England verläuft. Weil im niederländischen Bergen op Zoom ein anderer Typ von Y. pestis gefunden wurde, gehen die beiden Wissenschaftlerinnen davon aus, dass die südlichen Niederlande nicht direkt von England oder Frankreich aus infiziert wurden, sondern von den nördlichen Niederlanden aus. Dies wäre eine andere Infektionsroute, die aus Norwegen kommend über Friesland ihren Weg in die Niederlande genommen hätte. Weitere Untersuchungen sind nötig, um den gesamten Ablauf des Seuchenzugs zu entschlüsseln. „Die Geschichte dieser Pandemie“, so Hänsch, „ist komplizierter, als man bisher gedacht hat.“

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Petra Giegerich idw

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