Jedes Atom zählt: Forscher kontrollieren die chemische Reaktion eines einzelnen Moleküls mit nur einem Atom

Porphycen-Molekül und Kupferatom auf einer Kupferoberfläche. Das Kupferatom steuert den Protonentransfer im Porphycen-Molekül.<br><br>Fritz-Haber-Institut/Grill<br>

Das ist zum Beispiel in der Katalyse von fundamentaler Bedeutung. Diese Umgebung jedoch war auf der Ebene einzelner Atome bisher nicht beeinflussbar.

Eine Forschergruppe am Fritz-Haber-Institut in Berlin hat nun in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universität Liverpool und der polnischen Akademie der Wissenschaften herausgefunden, wie sich ein Protonentransfer innerhalb eines einzigen Moleküls mit Hilfe einzelner Atome und Moleküle in seiner Nähe kontrollieren lässt. Die Kenntnis solcher molekularer Prozesse birgt ein gewaltiges Potential für künftige Anwendungen der Nanotechnologie.

Um genau zu wissen, wie der chemische Prozess innerhalb eines einzelnen Moleküls auf einer Kupferoberfläche abläuft, verwendeten die Forscher ein Rastertunnelmikroskop, mit dessen nur ein Atom dicker Spitze einzelne Moleküle beobachtet werden können. Durch einen Spannungspuls injizierten sie Elektronen in ein Molekül. Dadurch veränderte sich die Erscheinung des Moleküls.

Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass sie einzelne Protonen innerhalb des Moleküls transferiert hatten – ein Prozess der in der Natur von großer Bedeutung ist, aber auch von Interesse für Schaltprozesse in einzelnen Molekülen der Nanotechnologie. Dabei war die exakte Positionierung der Elektroneninjektion von großer Bedeutung. Sie musste mit einer extrem hohen Präzision von etwa 1 Ångström, also 10-10 bzw. einem Zehnmillionstel Millimeter, platziert werden.

Um diesen Prozess auch kontrollieren zu können, entnahmen sie der Oberfläche ein einzelnes Kupferatom und verschoben es mit der Spitze des Rastertunnelmikroskops sehr exakt an einen anderen Ort. Wurde es in der Nähe des Moleküls platziert, veränderte sich die Rate des Protonentransfers dramatisch. Die Positionierung des Atoms an verschiedenen Stellen ergab, dass dieser Einfluss nicht nur bei erstaunlich großen Molekül-Atom-Abständen wirksam ist, sondern auch von der exakten Lage des Atoms abhängt. Es ist also möglich, mit einem einzelnen Atom je nach Position die Transferrate gezielt zu erhöhen oder zu verringern.

Dieser unerwartete Effekt ließ sich auch auf Anordnungen aus mehreren Molekülen erweitern. Die Forscher fanden heraus, dass sogar die exakte Position der Protonen im Molekül Einfluss auf das Nachbarmolekül ausübt, wodurch positive sowie negative Kooperativität in Molekülreihen verschiedener Länge direkt beobachtet werden kann. Als Kooperativität wird die modifizierte Rate von chemischen Prozessen durch die Veränderung eines Nachbarmoleküls bezeichnet. Dieses Phänomen ist von großer Bedeutung in der Natur, wo es zum Beispiel eine Rolle bei der Proteinfaltung oder dem Sauerstofftransport im Blut spielt. Die Resultate zeigen einerseits durch direkte Abbildung, wie wichtig die atomare Umgebung jedes einzelnen Moleküls für chemische Prozesse ist, und dass sich andererseits die Funktion einzelner Moleküle auf extrem kleinem Raum beeinflussen und sogar mit einzelnen Atomen steuern lässt.

Originalpublikation:
Takashi Kumagai et al.
Controlling intramolecular hydrogen transfer in a porphycene molecule with single atoms or molecules located nearby

Nature Chemistry, doi: 10.1038/nchem.1804

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Leonhard Grill
Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin
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Beatrix Wieczorek
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin
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