Abkürzung zu nachhaltiger Fischerei

Die Berechnung, bei welchen Fangmengen ein Fischbestand langfristig den größten Ertrag erbringt, ist bisher sehr aufwendig. Dr. Rainer Froese vom GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Dr. Steven Martell von der University of British Columbia präsentieren jetzt in der Fachzeitschrift „Fish and Fisheries“ eine neue, einfache und kostengünstige Methode, die auch die Reform der europäischen Fischerei beschleunigen könnte.

Das Ziel klingt einfach wie sinnvoll: 1982 einigten sich über 160 Staaten der Erde darauf, Fischerei so nachhaltig zu betreiben, dass alle Fischbestände langfristig den größtmöglichen Ertrag (engl: Maximum Sustainable Yield, MSY) liefern. So steht es im internationalen Seerechtsabkommen UNCLOS, das 1994 in Kraft trat und auch von Deutschland und allen Ländern der Europäischen Union ratifiziert wurde. Doch während Staaten wie die USA, Australien oder Neuseeland schon vor Jahren begonnen haben, ihre Fischereien auf dieses Ziel hin auszurichten, begannen entsprechende Reformen in der EU erst 2012.

Ein Grundproblem für alle Reformversuche ist, den MSY genau festzulegen. „Bisher benötigte man dazu eine längere Zeitserie der Anzahl der Fische, die zu einem bestimmten Bestand gehören“, erklärt Fischereibiologe Dr. Rainer Froese vom GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Solche Bestandsabschätzungen lassen sich aber nur mit aufwendiger und kostenintensiver Forschung ermitteln. Für viele Fischbestände ist MSY daher unbekannt. In der internationalen Fachzeitschrift „Fish and Fisheries“ präsentiert Dr. Froese jetzt zusammen mit Dr. Steven Martell von der University of British Columbia eine neue Methode, den MSY mit viel weniger Aufwand und auf Grundlage leicht zugänglicher Daten zu ermitteln.

Die beiden Forscher nutzen statt der Gesamtzahl der Fische eines Bestandes die Menge der von Fischern gefangenen Tiere. „Das sind Daten, die die entsprechende Behörden sowieso erheben“, erklärt Dr. Froese. Die Forscher setzen sie in Verbindung mit der Fähigkeit einer Fischart, sich zu regenerieren. „Das wiederum ist biologische Grundlagenforschung. Es geht um die Frage der Widerstandsfähigkeit, also wie schnell ein Fischbestand Verluste durch Fischerei ausgleichen kann. Bei den meisten Arten gibt es dazu Erkenntnisse, die auch in der globalen online-Datenbank FishBase erfasst sind“, erklärt der Kieler Fischereibiologe. Aus dem Verhältnis der Fangmengen und der Regenerationsfähigkeit lässt sich dann mit einigen Zwischenschritten der MSY berechnen.

Um die neue, zunächst theoretische Idee zu testen, wendeten Dr. Froese und Dr. Martell sie auf 148 sehr verschiedene Fischbestände an, für die aufgrund früherer Studien bereits Erkenntnisse zum MSY vorlagen. „Die Ergebnisse, die wir mit unserer einfachen Methode erzielt haben, entsprechen weitgehend denen schon existierender Studien, die aber mit viel größerem Aufwand erzielt wurden“, betont Dr. Froese.

Die von Dr. Martell und Dr. Froese vorgestellte Methode könnte vor dem Hintergrund der Bemühungen um eine Reform der europäischen Fischerei sehr praktische Auswirkungen haben. Bis 2020 sollen in der EU die Fangquoten für solche Fischbestände hoch bleiben, bei denen kein gesicherter Referenzpunkt für nachhaltige Fischerei festgelegt werden konnte. Das haben die europäischen Landwirtschaftsminister in einem Treffen am 12. Juni 2012 entschieden. „Im Moment würde das für die Mehrzahl der europäischen Fischbestände gelten, weil einfach die Daten fehlen. Mit der neuen Methode zur Berechnung des MSY entfällt dieses Argument für hohe Fangquoten“, erklärt Dr. Froese.

Originalarbeit:
Martell, S., R. Froese (2012): A simple method for estimating MSY from catch and resilience. Fish and Fisheries, http://dx.doi.org/10.1111/j.1467-2979.2012.00485.x

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Andreas Villwock idw

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