Zuckermaschine im Dienste der Medizin

Forschende des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) «Strukturbiologie» haben die Struktur und die Wirkungsweise eines Enzyms bestimmt, das Zucker an Eiweisse heftet. Diese Erkenntnisse sind der Ausgangspunkt für neue Strategien, um bakterielle Infektionen zu bekämpfen.

«Über die Hälfte aller Proteine bei Menschen, Tieren und Pilzen werden mit Zuckern versehen», sagt Christian Lizak, Molekularbiologe im Nationalen Forschungsschwerpunkt «Strukturbiologie – Molekulare Lebenswissenschaften: Dreidimensionale Struktur, Faltung und Interaktionen». Die Zucker sorgen dafür, dass die Eiweisse nur korrekt gefaltet in Umlauf gelangen und verleihen vielen dieser Lebensbausteine erst ihre Funktion. Doch wie gelangen kurze Ketten aus Zuckermolekülen an die Eiweisse? Für das Ankleben zuständig ist das Enzym mit dem komplizierten Namen Oligosaccharyltransferase.

Bakterienenzym als Modell

Lizak und das Team um Kaspar Locher und Markus Aebi von der ETH Zürich haben kürzlich die Struktur dieses Enzyms im Bakterium Campylobacter lari entschlüsselt. «Aufgrund der Struktur können wir jetzt sagen, wie das Enzym Eiweisse erkennt und wie es die Zuckerketten daran befestigt», sagt Lizak. Diese Erkenntnisse sind aber nicht nur für Bakterien relevant, in denen die süssen Eiweisse weit weniger verbreitet sind als in anderen Lebewesen.

Das bakterielle Enzym ist zwar im Vergleich zur menschlichen Variante einfacher gebaut, ihre zentralen Wirkungsregionen sind sich aber sehr ähnlich. Das Bakterienenzym kann deswegen nun als Modell dienen, um das entsprechende Enzym bei Mensch und Tier genauer zu untersuchen.

Vom Zucker zum Impfstoff

Doch das ist nicht alles: Die Forschenden arbeiten bereits an praktischen Anwendungen ihrer Entdeckung. Eine ihrer Strategien richtet sich gegen verschiedene Krankheitserreger, die schwere Infektionen wie Lungen- und Hirnhautentzündungen oder Durchfallerkrankungen verursachen. Diese Bakterien tragen auf ihrer Oberfläche spezielle Zuckerketten. Sie sind das entscheidende Merkmal, an dem das menschliche Immunsystem den Krankheitserreger erkennt. Deshalb möchten die Forschenden die Zuckerketten für eine Impfstrategie benutzen. Dazu soll in harmlosen Zuchtbakterien die Oligosaccharyltransferase so verändert werden, dass sie Eiweisse mit den Zuckerketten der Erreger verbindet. Diese gezuckerten Eiweisse könnten dann Menschen als Impfstoff verabreicht werden. Die erhoffte Folge: Das menschliche Immunsystem baut Abwehrkräfte gegen die «bösen» Zucker auf. Es erkennt später im Fall einer Infektion die Bakterien rasch und tötet sie ab.

Bakterien unschädlich machen

Eine andere, mögliche Anwendung besteht darin, die Oligosaccharyltransferase von Campylobacter, einem wichtigen Erreger von Magen-Darmerkrankungen, gezielt zu hemmen. Die Forschenden untersuchen derzeit, mit welchen Molekülen sich die Wirkungszentren des Enzyms blockieren lassen. Ohne Zuckermaschine wäre das Bakterium nicht mehr in der Lage, sich im Darm von Geflügel anzusiedeln. Hühner vertragen das Bakterium zwar gut, aber wenn Menschen ungenügend erhitztes Geflügelfleisch essen, können sie sich einen schweren Durchfall holen. Gelänge es, die bakterielle Zuckermaschine auszuschalten, liesse sich Campylobacter aus die Nahrungskette des Menschen entfernen.

Media Contact

Abt. Kommunikation idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft

For­schen­de an der ETH Zü­rich ha­ben Bak­te­ri­en im La­bor so her­an­ge­züch­tet, dass sie Me­tha­nol ef­fi­zi­ent ver­wer­ten kön­nen. Jetzt lässt sich der Stoff­wech­sel die­ser Bak­te­ri­en an­zap­fen, um wert­vol­le Pro­duk­te her­zu­stel­len, die…

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht

Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…

Partner & Förderer