Zeptosekunden-Stoppuhr für den Mikrokosmos

Nachdem ein Lichtteilchen ein Elektron aus einem Heliumatom entfernt hat, kann man die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten des verbliebenen Elektrons berechnen. Schultze/Ossiander

Wenn Licht auf Elektronen in Atomen trifft, dann verändert sich deren Zustand in unvorstellbar kurzen Zeiträumen. Ein solches Phänomen, nämlich das der Photoionisation, bei dem ein Elektron ein Heliumatom nach Lichtanregung verlässt, haben Laserphysiker der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und des Max-Planck Instituts für Quantenoptik (MPQ) erstmals mit Zeptosekunden-Genauigkeit gemessen.

Eine Zeptosekunde ist ein Billionstel einer Milliardstel Sekunde (10-21 Sekunden). Das ist die höchste Genauigkeit der Zeitbestimmung eines Ereignisses im Mikrokosmos, die jemals erreicht wurde und zudem die erste absolute Bestimmung des Zeitpunktes der Photoionisation.

Trifft Licht auf die zwei Elektronen eines Heliumatoms, dann muss man unheimlich schnell sein um das Geschehen zu beobachten. Abgesehen von den ultrakurzen Zeiträumen, in denen sich Veränderungen abspielen, kommt die Quantenmechanik ins Spiel.

Trifft ein Lichtteilchen (Photon) auf die zwei Elektronen, kann es nämlich sein, dass die gesamte Energie des Photons entweder von dem einen Elektron aufgenommen wird oder aber dass eine Aufteilung stattfindet. In jedem Fall der Energieübertragung aber verlässt ein Elektron das Heliumatom. Diesen Vorgang nennt man Photoemission oder photoelektrischen Effekt. Albert Einstein hatte ihn Anfang des letzten Jahrhunderts entdeckt.

Von dem Zeitpunkt an, an dem das Photon mit den Elektronen wechselwirkt ,bis zu dem Zeitpunkt, an dem ein Elektron das Atom verlässt, dauert es zwischen fünf und fünfzehn Attosekunden (1 as ist 10-18 Sekunden). Das haben die Physiker bereits vor einigen Jahren herausgefunden (Science, 25. Juni 2010).

Mit ihrer nun verbesserten Messmethode können die Laserphysiker das Geschehen bis auf 850 Zeptosekunden genau messen. Die Forscher schickten zur Anregung der Elektronen einen Attosekunden langen extrem ultravioletten Lichtblitz (XUV) auf ein Heliumatom. Gleichzeitig ließen sie einen zweiten infraroten Laserpuls auftreffen, der rund vier Femtosekunden dauerte (1fs ist 10-15 Sekunden). Sobald das Elektron durch die Anregung des XUV–Lichtblitzes das Atom verlassen hatte, wurde es vom infraroten Laserpuls erfasst.

Je nachdem wie gerade das elektromagnetische Feld dieses Pulses zum Zeitpunkt der Erfassung beschaffen war, wurde das Elektron beschleunigt oder abgebremst. Über diese Geschwindigkeitsveränderung konnten die Physiker mit Zeptosekunden-Genauigkeit die Photoemission erfassen. Zudem konnten die Forscher erstmals bestimmen, wie die Energie des einfallenden Photons sich auf die beiden Elektronen des Heliumatoms in wenigen Attosekunden vor der Emission eines Teilchens quantenmechanisch verteilt hatte.

„Das Verständnis dieser Vorgänge im Heliumatom bietet uns für künftige Experimente ein enorm verlässliche Basis“, erklärt Martin Schultze, der Leiter der Experimente am MPQ. Die Physiker konnten nämlich die Präzesion ihrer Experimente bis auf Zeptosekunden-Genauigkeit mit den theoretischen Vorhersagen ihrer Kollegen vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien korrelieren.

Mit seinen zwei Elektronen ist Helium das einzige System, das sich vollständig quantenmechanisch berechnen lässt. Damit bietet es sich geradezu an, Theorie und Experiment unter einen Hut zu bringen. „Wir können jetzt in dem verschränkten System aus Elektron und ionisiertem Helium-Mutteratom aus unseren Messungen die komplette wellenmechanische Beschreibung des Systems ableiten“, sagt Schultze.

Mit ihren Metrologie-Experimenten in Zeptosekunden-Zeitdimensionen haben die Laserphysiker damit ein weiteres wichtiges Puzzlestück in der Quantenmechanik des Heliumatoms an die richtige Stelle manövriert und die Messgenauigkeit im Mikrokosmos erstmal in ganz neue Dimensionen vorangetrieben. Thorsten Naeser

Bildbeschreibung:
Nachdem ein Lichtteilchen ein Elektron aus einem Heliumatom entfernt hat, kann man die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten des verbliebenen Elektrons berechnen. Je heller die Bereiche im Bild dargestellt sind desto wahrscheinlicher ist sein Aufenthaltsort rund um den hier nicht sichtbaren Atomkern. Bild: Schultze/Ossiander

Originalpublikation:
M. Ossiander, F. Siegrist, V. Shirvanyan, R. Pazourek, A. Sommer, T. Latka, A. Guggenmos, S. Nagele, J. Feist, J. Burgdörfer, R. Kienberger and M. Schultze
Attosecond correlation dynamics
Nature physics, 7. November 2016, doi: 10.1038/nphys3941

Weitere Informationen erhalten Sie von:
Dr. Martin Schultze
Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching
Tel: +49 89 32905- 236
Fax: +49 89 32905-649
E-Mail: Martin.Schultze@mpq.mpg.de

Prof. Ferenc Krausz
Ludwig-Maximilians-Univ. München, Fakultät f. Physik
Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching
Tel: +49 89 32905-612
E-Mail: krausz@lmu.de
http://www.attoworld.de

Media Contact

Dr. Olivia Meyer-Streng Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Weitere Informationen:

http://www.mpq.mpg.de/

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