Wurmeier: „Angenehm salzig“

Die orale Gabe von Eiern des Schweinepeitschenwurms (Trichuris suis) führt über drei Monate zu einer Reduktion von entzündlichen Läsionen im Zentralen Nervensystem (ZNS) von MS-Patienten. Das haben US-Forscher in einer Phase I-Pilotstudie nachgewiesen.

Dazu Ralf Gold, Vorstandsmitglied des Krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS): „Bereits seit längerem ist bekannt, dass MS-Patienten mit Parasiteninfektionen weniger Schübe und Krankheitsaktivität in der Kernspintomographie zeigen. Allerdings raten wir zum jetzigen Zeitpunkt von dieser Therapie aufgrund unzureichender Erfahrungen über Wirkung und systemische Risiken dringend ab.“

Das immunologische Prinzip der Wurmtherapie beruht darauf, dass die Besiedlung mit Trichuris suis eine veränderte systemische Immunantwort auslöst, die sich in einer Abnahme von entzündungsfördernden Zytokinen und einer Zunahme von Th2-Zellen, regulatorischen T- und B-Zellen sowie entzündungshemmenden Zytokinen äußert. Gleichzeitig konnte im Tierexperiment gezeigt werden, dass autoimmune Entzündungen im ZNS reduziert waren.

Wurmeier als Trinklösung

Diese Befunde motivierten u.a. US-Forscher, die Wurmtherapie in einer Studie an MS-Patienten zu testen. Dazu verabreichten sie den Studienteilnehmern Eier des Schweinepeitschenwurms in einer Trinklösung, die „als angenehm salzig wie ein Sportgetränk“ empfunden wurde. Neben der beobachteten positiven Reduktion von entzündlichen Läsionen im ZNS traten nur leichte Magen-Darm-Beschwerden bei den Testpersonen auf.

„Wenn die Ergebnisse durch adäquate, verblindete, randomisierte Studien bestätigt werden können, ist die Wurmtherapie durchaus eine interessante Option für die Zukunft“, sagt Gold. „Bis dahin müssen wir von der Therapie abraten, weil uns wichtiges Wissen zu potenziellen Nebenwirkungen, wie eine mögliche Organschädigung durch Invasion der Würmer aus dem Darm und eine eventuell abgeschwächte oder verstärkte Immunität gegenüber anderen Krankheitserregern, fehlt.

Gefahr durch Übertragung artfremder Erreger

Um die Eier zu gewinnen, werden trächtige Würmer aus dem Darm von Schweinen entnommen. Dabei kann eine zusätzliche Übertragung von artfremden Erregern nicht ausgeschlossen werden. „All dies lässt uns im modernen Industriezeitalter zögern, einen solchen Therapieversuch bei MS mit ruhigem Gewissen zu empfehlen – moderne MS-Medikamente erfordern zwar Sicherheitsmaßnahmen und sind hochpreisig, aber wahrscheinlich in vielen Aspekten diesem Ansatz überlegen“, glaubt Gold.

Literatur:

Fleming J, Isaak A, Lee J, Luzzio C, Carrithers M, Cook T, Field A, Boland J, Fabry Z. Probiotic helminth administration in relapsing-remitting multiple sclerosis: a phase 1 study. Mult Scler. 2011;17(6):743-54

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Constanze Steinhauser idw

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