Westantarktis war früher offenes Meer

Die Eisbedeckung der westlichen Antarktis war in früheren Zeiten kleiner als heute. Das ermittelte das internationale Forschungsprojekt ANDRILL durch Sedimentbohrungen unter dem Schelfeis in der Ross-Bucht.

Erwärmungen, die durch Neigungen der Erdachse in Zeiten erhöhter CO2-Konzentration zustande kamen, führten vor etwa 3,5 Mio. Jahren dazu, dass sich die Ross-Bucht als offenes Meer mit Algen und anderen Mikroorganismen präsentierte. Modellierungen zeigen, dass dieses Auftauen in erster Linie auf wärmeres Ozeanwasser zurückgeht.

„Früher war das Meer deutlich wärmer als minus 1,8 Grad, was die Gefriertemperatur von Meereswasser darstellt, vermutlich sogar vier bis fünf Grad“, sagt Gerhard Kuhn vom an der Bohrung beteiligten Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, im pressetext-Interview.

Zuerst führten die Forscher im Ross-Schelfeis eine Bohrung durch, die 85 Meter Schelfeis, 850 Meter darunter befindliches Meerwasser und schließlich weitere 1.285 Meter Meeresboden durchbohrte. In den Sedimenten entdeckten sie vulkanisches Gestein sowie Mikroorganismen, die Aufschluss über den früheren Zustand der Region geben.

„Wir fanden unerwartete hohe Mengen von Skeletten von zweieinhalb bis fünf Mio. Jahren alten Kieselalgen, die typisch für den offenen Ozean sind“, so Kuhn. Daraus könne man schließen, dass die Ross-Bucht vor 3,5 Mio. Jahren über einen Zeitraum von etwa 200.000 Jahren ein offenes Meer mit Algenblüten gewesen sei. Eine weitere Bohrung in kontinentalen Regionen der Antarktis, deren Analyse jedoch noch aussteht, lieferte 14 bis 20 Mio. Jahre alte Sedimente an die Oberfläche.

Die Westantarktis habe in ihrer Geschichte immer wieder drei wesentliche Klimastadien durchlaufen, so Kuhn. „Erstens gab es eine völlige Vereisung in Kaltzeiten, in der die Eismasse bis zum Meeresboden vordrang, und zweitens den heutigen Zustand mit einer dünnen Schelfeis-Schicht. Schließlich gab es auch mehrmals eisfreie Zeiten, in denen die Westantarktis eine Wasserfläche mit einem Inselarchipel war.“ Die Zyklen zwischen Warm- und Kaltphasen hätten laut dem Bremerhavener Geowissenschaftler jeweils etwa 40.000 Jahren gedauert. Die Änderung des Eisvolumens an den Polen habe in der Vergangenheit zu den hohen Schwankungen des Meeresspiegels wesentlich beigetragen. „Vor 19.000 Jahren lag der Meeresspiegel 120 Meter unter dem heutigen Niveau, in Wärmezeiten bis zu 20 Meter darüber.“

Mittlerweile gibt es auch Einschätzungen darüber, wie sich die Antarktisschmelze in Zukunft auf die Weltmeere auswirken wird. „Geht man davon aus, dass sich die Erde bis zum Jahr 2100 um zwei Grad erwärmt, führt das zu ähnlich instabilen Situationen wie früher. Eine Flutwelle ist nicht zu erwarten, jedoch ein andauerndes Abschmelzen, das sich über Jahrhunderte, vielleicht sogar über Jahrtausende hinzieht“, erklärt Kuhn. Zusätzlich zum Ansteigen der Meere durch die Wärmeausdehnung der Ozeane würde der Meeresspiegel allein durch das Abschmelzen des Eises der Westantarktis um einen Meter pro hundert Jahre ansteigen. „Verschwindet diese Eismasse, steigt allein dadurch der globale Meeresspiegel um fünf bis sieben Meter“, so der Antarktis-Forscher. Damit stehe auch die Kühlleistung der Pole auf dem Spiel, denn das eintreffende Sonnenlicht kann in diesem Fall nicht mehr im bisherigen Ausmaß reflektiert werden.

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Johannes Pernsteiner pressetext.deutschland

Weitere Informationen:

http://www.andrill.org http://www.awi.de

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