Wenn Weinreben an Krebs leiden

Tumor an einem Rebstock (unten links), der dadurch kümmerlicher wächst als die Nachbarrebstöcke (oben links). Auf der rechten Seite ist ein Tumor zu sehen, der unter Laborbedingungen an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana erzeugt wurde. Die Tumore und ihre Position an den Pflanzen sind rot eingerahmt.<br>Grafik: Rosalia Deeken<br>

Bei Weinreben ist es die Maukekrankheit, bei Zuckerrüben der Wurzelkropf: Krebsartige Wucherungen an Pflanzen werden häufig durch das Bodenbakterium Agrobacterium tumefaciens verursacht.

Im Wein- und Obstbau ist das ein Problem: Die erkrankten Pflanzen wachsen nicht mehr richtig, was zu erheblichen Ertragseinbußen führen kann. Im schlimmsten Fall sterben die Pflanzen sogar ab.

Meist dringen die Tumorbakterien an der Wurzel oder in Bodennähe am Stängel in die Pflanzen ein. Dann bringen sie deren Zellen dazu, sich unkontrolliert zu teilen – so entstehen Wucherungen, die den Bakterien einen geschützten Lebensraum bieten. Die Erreger zwingen die Pflanzenzellen sogar dazu, spezielle Nährstoffe für sie zu produzieren.

Wie genau manipulieren die Schadbakterien die Pflanzen auf der Ebene der Gene? Welche molekularen Mechanismen verändern die Ausprägung der infizierten Zellen? Das untersucht Dr. Rosalia Deeken mit ihrer Arbeitsgruppe, allen voran mit dem Doktoranden Jochen Gohlke, am Lehrstuhl für Molekulare Pflanzenphysiologie und Biophysik der Universität Würzburg.

Komplexe Veränderungen an der Pflanzen-DNA

„Verblüffend ist vor allem, auf welch komplexe Weise die Bakterien die Pflanzenzellen umsteuern“, sagt Deeken. Die Erreger schleusen zum einen ihr Erbgut in die DNA der Wirtspflanze ein – das ist seit Langem bekannt. Die Würzburger Forschungsgruppe hat jetzt herausgefunden, dass die Bakterien noch für weitere Veränderungen an der DNA der Pflanzenzellen sorgen.

Verändert sind genau die Bereiche der Pflanzen-DNA, die für die Zellteilung essenziell sind. Das dürfte das unkontrollierte Wachstum des Pflanzentumors fördern und die Lebensbedingungen für die Bakterien verbessern. Die Modifikationen betreffen das Methylierungsmuster – das ist die Art und Weise, wie die DNA mit kleinen Kohlenwasserstoff-Elementen (Methylgruppen) bestückt ist. Methylierung kommt bei allen Organismen vor, das Muster ist aber variabel. Sie dient unter anderem dazu, bestimmte DNA-Abschnitte an- oder abzuschalten.

Methylierung begrenzt das Tumorwachstum

Deeken und ihr Team sind dieser Sache weiter auf den Grund gegangen – mit Mutanten der molekulargenetischen Modellpflanze Arabidopsis: „Das Erbgut der Mutanten ist nicht so stark methyliert wie im Normalfall“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Als wir sie mit Agrobakterien infizierten, wuchsen die Tumore bei den Mutanten viel stärker als bei normalen Vergleichspflanzen.“

Darum das Fazit der Forscher: „Die Methylierung ist bei Pflanzen offenbar ein Mechanismus, der das Wachstum von Tumoren nicht verhindern, aber begrenzen kann.“ Dieses Ergebnis ihrer Arbeit haben die Würzburger Biologen Anfang Februar im Journal „PLoS Genetics“ veröffentlicht.

Entstanden ist die Publikation in Zusammenarbeit mit Claus-Jürgen Scholz vom Würzburger Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung. Das hat seinen Grund: Die Methylierung und andere sogenannte epigenetische Veränderungen sind auch beim Menschen an der Entstehung von Tumoren beteiligt. Sie werden darum im Hinblick auf die Diagnose und Therapie verschiedener Krebsarten erforscht.

Nächste Schritte der Forschungsarbeit

Welcher molekulare Mechanismus der Methylierung läuft in den Pflanzentumoren ab? Und warum schafft es die Pflanze in diesem speziellen Fall nicht, das von den Tumorbakterien eingeschleuste Erbgut mittels Methylierung zu inaktivieren? Das sind die Fragen, mit denen sich Rosalia Deekens Team derzeit befasst.

Schnelltest für den Weinbau geplant

Deeken will außerdem zusammen mit der Würzburger Mikrobiologie-Professorin Ute Hentschel-Humeida einen Schnelltest zur Diagnose der Maukekrankheit bei Weinreben entwickeln. Grund: Mit bloßem Auge ist diese Tumorkrankheit bislang nicht von harmlosen Gewebewucherungen zu unterscheiden, wie sie oft nach Verletzungen oder an der Veredelungsstelle der Reben auftreten. Der Schnelltest soll es Winzern ermöglichen, befallene Reben rechtzeitig zu entfernen – eine andere Bekämpfung der Krankheit ist bisher nicht möglich.

Gohlke J, Scholz CJ, Kneitz S, Weber D, Fuchs J, Hedrich R, Deeken R: “DNA methylation mediated control of gene expression is critical for development of crown gall tumors”, PLoS Genet. 2013 Feb;9(2):e1003267. doi: 10.1371/journal.pgen.1003267

Kontakt

Dr. Rosalia Deeken, Julius-von-Sachs-Institut für Biowissenschaften der Universität Würzburg, T (0931) 31-89203, deeken@botanik.uni-wuerzburg.de

Media Contact

Robert Emmerich idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-wuerzburg.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Agrar- Forstwissenschaften

Weltweite, wissenschaftliche Einrichtungen forschen intensiv für eine zukunftsfähige Land- und Forstwirtschaft.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Themen: Bioenergie, Treibhausgasreduktion, Renaturierung und Landnutzungswandel, Tropenwälder, Klimaschäden, Waldsterben, Ernährungssicherung, neue Züchtungstechnologien und Anbausysteme, Bioökonomie, Wasserressourcen und Wasserwiederverwendung, Artenvielfalt, Pflanzenschutz, Herbizide und Pflanzenschädlinge, digitale Land- und Forstwirtschaft, Gentechnik, tiergerechte Haltungssysteme und ressourcenschonende Landwirtschaft.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer