Vorstufe zum Kannibalismus: Universität Hohenheim erforscht Federpicken bei Hühnern

Es ist ein rätselhaftes Phänomen, das wellenartig ganze Ställe heimsucht: Die Hühner fressen sich gegenseitig die Federn vom Leib. Die bepickten Tiere wehren sich meist nicht und können an den Folgen sogar sterben, wenn Federpicken in Kannibalismus übergeht. Weshalb die Tiere das tun, ist bis heute nicht ganz geklärt. Nun suchen Tierforscher der Universität Hohenheim den Grund für den rätselhaften Heißhunger in den Genen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das auf drei Jahre angelegte Forschungsprojekt mit rund 540.000 Euro. Damit ist es ein Schwergewicht der Forschung an der Universität Hohenheim.

„Die Annahme, dass Hühner nichts anderes als Körner fressen ist ebenso falsch wie weitverbreitet“, urteilt Prof. Dr. Werner Bessei Leiter des Fachgebiets Nutztierethologie und Kleintierzucht. In Wirklichkeit brauchen insbesondere Küken mehr Eiweiß als ihnen pflanzliches Futter allein liefern kann. Wenn sie im Freiland gehalten werden, machen sie Jagd auf Regenwürmer, Fliegen, Maikäfer und andere Insekten. Hühner sind Allesfresser.

Die rastlose Suche nach Eiweißquellen treibt einige Hühner offenbar dazu, ihren Artgenossen die Federn vom Leib zu picken. Was sie zu diesem eigenartigen Verhalten treibt, ist bis heute nicht geklärt.

Für den Verhaltensforscher Prof. Dr. Bessei steht aber fest: „Am Eiweiß allein kann es nicht liegen. Denn nur 20 Prozent des Proteins in den Federn kann der Verdauungstrakt eines Huhns verwerten.“ Versuche haben außerdem gezeigt, dass einzelne Hühner auch dann noch zum Federpicken neigen, wenn der Trog mit proteinreichem Futter gefüllt ist.

Mögliche Antwort in den Genen

Auf der Suche nach Antworten tat sich Prof. Dr. Bessei deshalb mit Prof. Dr. Jörn Bennewitz zusammen. Der Kollege an der Universität Hohenheim leitet das Fachgebiets Genetik und Züchtung landwirtschaftlicher Nutztiere.

Beide gehen davon aus, dass das Federpicken teilweise genetisch vorprogrammiert ist. Dann bräuchte es nur noch einen Auslöser und das Federpicken bricht aus. Versuche haben gezeigt: Federpicken ist offenbar lernbar und verbreitet sich schnell in der Herde. In großen Gruppen, wie sie in der Auslauf- und Bodenhaltung üblich sind, kann es so zu regelrechten Wellen kommen.

Dementsprechend groß sind die Schäden. Denn die Opfer wehren sich nicht: „Federpicken ist kein aggressiver Akt“, erklärt Prof. Dr. Bessei, „deshalb tolerieren es die Betroffenen.“

Bewegungsmelder am Hühnerfuß

Andere Forscher gehen davon aus, dass Federpicken durch eine genetische Veranlagung zur Hyperaktivität zusammenhängt. Denn Hühner, die zum Federpicken neigen, sind aktiver als andere. Deshalb haben die Forscher zusammen mit Dr. Jörgen Kjaer vom Institut für Tierschutz in Celle die Hühner in der Versuchsstation Unterer Lindenhof mit Chips an den Beinen ausgestattet. So sehen die Wissenschaftler, wie groß der Bewegungsdrang jedes Huhns ist.

Gentest im Hühnerstall

Tatsächlich sei das Federpicken eine Vorstufe des Kannibalismus, erklärt Prof. Dr. Bessei. „Häufig belassen es die Hühner nicht dabei, ihre Artgenossen zu rupfen. Sie hören auch nicht auf, wenn Blut fließt.“

Die Sterberate in großen Ställen steigt durch Federpicken um bis zu 20 Prozent. Somit stellt sich hier auch ein Tierschutzproblem.. Doch wirtschaftlicher Schaden entsteht dem Halter bereits weil gerupfte Hühner mehr Körperwärme verlieren und deshalb mehr fressen.

Wenn Prof. Dr. Bessei und Prof. Dr. Bennewitz genetische Marker fürs Federpicken in den Hühnern finden, könnte es damit vorbei sein. Mit einem Bluttest können Hühnerzüchter dann erkennen, welche ihrer Tiere genetisch fürs Federpicken prädestiniert sind und diese dann aus der Zucht nehmen.

Hintergrund: Forschungsprojekt Federpicken

Das Forschungsprojekt zur Aufklärung der ethologischen und genetischen Faktoren des Federpickens von Prof. Dr. Bessei und Prof. Dr. Bennewitz ist auf drei Jahre angelegt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt „Aufklärung der ethologischen und genetischen Faktoren des Federpickens“ mit rund 540.000 Euro.

Hintergrund: Schwergewichte der Forschung

Fast 31 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Wissenschaftler der Universität Hohenheim 2010 für Forschung und Lehre. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem Drittmittelvolumen von mindestens einer viertel Million Euro bzw. 125.000 Euro in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

Text: Weik / Klebs

Media Contact

Florian Klebs idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-hohenheim.de

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