Ursachenforschung zum Erdrutsch in Nachterstedt

Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) messen die Temperaturverteilung auf dem Grund des Concordia-Sees mit Unterstützung des Technischen Hilfswerks (THW). Foto: IGB/Jörg Lewandowski<br>

Am 18. Juli 2009 rutschte eine Uferkante in den Concordia-See in Sachsen-Anhalt. Im Morgengrauen riss sie ein Doppelhaus, eine Straße und Teile eines Einfamilienhauses mit in den Abgrund, drei Menschen kamen ums Leben. Seitdem untersucht die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV), wie es zu dem Unglück kommen konnte.

Der Zustrom von Grundwasser in das Seewasser erfolgt über riesige Areale des Seebodens und unterscheidet sich häufig auf kleinstem Raum. Das macht die Messungen auf dem schwer zugänglichen Grund schwierig. Daher verwenden die IGB-Forscher einen Trick: Das Seewasser hat derzeit eine Temperatur von etwa fünf Grad Celsius, auch am Seeboden. Die Temperatur des Grundwassers beträgt dagegen ganzjährig etwa zehn Grad Celsius. An Stellen, an denen Grundwasser zutritt, ist daher die Temperatur leicht erhöht, und zwar umso stärker je mehr Grundwasser zuströmt. Dr. Jörg Lewandowski vom IGB erklärt: „Wenn wir die Temperaturverteilung im See kennen, können wir Rückschlüsse auf den Zustrom von Grundwasser ziehen.“

Um die Temperaturverteilung des Seebodens flächendeckend zu bestimmen, haben die Wissenschaftler die faseroptische Temperaturmessung verwendet. Dabei wurde ein mehrere Kilometer langes Messkabel auf dem Seeboden verlegt und für jeden Meter des Kabels die Temperatur gemessen. IGB-Wissenschaftlerin Franziska Pöschke berichtet: „Das tägliche Verlegen und Einholen des zwei Kilometer langen Kabels war echte Knochenarbeit. Ohne die Unterstützung durch das Technische Hilfswerk mit Booten und Mitarbeitern hätten wir das nicht schaffen können.“ Ihre Kollegin Andrea Sacher ergänzt: „Wir hatten sehr starken Wind, es war schwierig, den Kurs zu halten und das schwere Kabel präzise zu verlegen. Es lief dennoch alles gut, nun werten wir die umfangreichen Messungen aus. Die Ergebnisse werden in einigen Monaten vorliegen.“

Bei der Methode der faseroptischen Temperaturmessung (engl. distributed temperature sensing, DTS) wird ein kurzer Laserpuls in eine Glasfaser geschickt. Ein kleiner Teil des Laserpulses wird zurückgestreut und gemessen. Die Rückstreuung ist stark temperaturabhängig, so dass aus der Intensität der Rückstreuung und der Laufzeit des Laserpulses für jeden Meter des Kabels die Temperatur ermittelt werden kann.

DTS ist eine etablierte Technik, die vielfältig eingesetzt wird, zum Beispiel zur Branderkennung in Tunneln, zur Temperaturüberwachung von großchemischen Prozessen, zur thermischen Überwachung von Energiekabeln und Freileitungen sowie zur Leckage-Detektion an Pipelines, Staumauern und Deichen. Auch bei wissenschaftlichen Fragestellungen wird DTS zunehmend eingesetzt. Beispielsweise wird der Rückgang von Permafrost im Gebirge mit DTS-Kabeln untersucht.

Dagegen ist die Erfassung des Zustroms von Grundwasser zu Seen ein neues, noch in der Entwicklung befindliches Anwendungsgebiet, das in Europa maßgeblich durch das IGB vorangetrieben wird.

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Gesine Wiemer Forschungsverbund Berlin e.V.

Weitere Informationen:

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